In einer überraschenden Wendung haben die Kindertagesstätten in Berlin und Brandenburg eine Vielzahl leerer Plätze zu verzeichnen. Vor wenigen Jahren war dies undenkbar; jetzt bietet die Situation theoretisch mehr Flexibilität für Eltern. Doch der praktische Alltag ist, wie sich zeigt, komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint.
Ein Rückgang der Geburtenzahlen gepaart mit dem massiven Ausbau der Betreuungsinfrastruktur hat zu diesem Überangebot an Kita-Plätzen geführt. So berichtet die Bildungsverwaltung Berlins, dass zum 20. Juni insgesamt 1.565 Plätze bei Eigenbetrieben und 7.215 bei Kitas in freier Trägerschaft unbesetzt sind. In Brandenburg hingegen gibt es keine zentrale Übersicht über die Kita-Platzverfügbarkeit, jedoch liefern kommunale Rückmeldungen ein klares Bild der Situation vor Ort.
Das geänderte Bild von Wartelisten
Die Entwicklung der freien Plätze ist bemerkenswert. In Potsdam waren zum 1. Juni etwa 1.900 Plätze nicht belegt, während in Schwedt (Uckermark) fast 300 Plätze leer standen. Interessant ist hierbei, dass die freien Kapazitäten nicht zwangsläufig die Verfügbarkeit für alle Altersgruppen widerspiegeln. Das betont auch die Pressestelle der Stadt Schwedt, die darauf hinweist, dass insbesondere im Krippen- und Hortbereich oftmals eine hohe Auslastung herrscht.
In der Stadt Brandenburg (Havel) werden für August 2024 insgesamt 553 freie Plätze in Kinderkrippen und Kindergärten gemeldet, was einem Anstieg von knapp 130 freien Plätzen im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Andreas Griebel, Vorsitzender des Deutschen Roten Kreuzes im Kreis, beschreibt, dass die Auslastung seiner neun Kitas bei rund 87 Prozent liegt. Diese Entwicklung ist eine direkte Folge des damaligen Bedarfs, der neue Einrichtungen erforderlich machte. Heute jedoch sinken die Kinderzahlen, was Wartelisten von bis zu 40 Kindern, die einst an der Tagesordnung waren, in den Hintergrund drängt.
Vielfalt für Eltern, Herausforderungen für Fachkräfte
Für Eltern in Brandenburg bedeutet die aktuelle Lage, dass sie viel einfacher einen Kita-Platz für ihr Kind finden können, obwohl die Situation je nach Kommune stark variieren kann. Babette Sperle, Sprecherin des Dachverbands Berliner Kinder- und Schülerläden, unterstreicht auch den Wandel in der Hauptstadt. Die Situation habe sich im Vergleich zu früheren Jahren entspannter gestaltet, obwohl sie gleichzeitig warnt: „Die Zahlen sind das eine, die Wirklichkeit das andere.“
Einige Bezirke in Berlin, wie Neukölln, haben deutlich weniger Kita-Plätze im Vergleich zu anderen Teilen der Stadt, wohingegen in geburtenstarken Regionen wie Pankow mehr Plätze als nötig vorhanden sind. Dies gibt Eltern die Möglichkeit, eine Einrichtung auszuwählen, die am besten zu ihren Bedürfnissen passt. Dennoch bleibt die Verfügbarkeit in einigen Kiezen problematisch, was einen ausgeglichenen Zugang zu Betreuungsmöglichkeiten erschwert.
Der zugrunde liegende Grund für die Vielzahl an freien Plätzen ist der Rückgang der Geburtenzahlen. Im vergangenen Jahr wurden in Berlin nur noch 34.000 Kinder geboren, verglichen mit über 40.000 im Jahr 2018. In Brandenburg sank die Zahl von 19.881 auf 15.885 Geburten im gleichen Zeitraum. Gleichzeitig wurden als Antwort auf den Bedarf erweiterte Kita-Plätze geschaffen, was zu dem aktuellen Überangebot geführt hat. Diese strategische Entwicklung war gewollt, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Ein bedeutendes Thema, das jedoch auch die Zukunft der Einrichtungen betrifft, ist die Personaldecke. Sowohl das Deutsche Rote Kreuz als auch andere Institutionen machen sich Sorgen über die Arbeitsbedingungen, da viele Erzieherinnen und Erzieher zunehmend flexiblere Arbeitszeiten bevorzugen. Auch die erhöhte Krankheitshäufigkeit in der Branche könnte dazu führen, dass die flächendeckende Bereitstellung von Fünf-Tage-Betreuung in Zukunft nicht mehr gewährleistet ist.
Insgesamt zeichnet sich ein langsamer Wandel im Kitasystem ab, das sowohl die Bedürfnisse der Eltern als auch die Fähigkeit der Einrichtungen in den Blick nehmen muss. Trotz der momentanen Fülle an Plätzen bleibt es spannend, wie sich die Lage in den kommenden Jahren entwickeln wird und welche Maßnahmen ergriffen werden, um sowohl die Betreuungsqualität als auch die Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
– NAG