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Ende einer Ära: Wissler und Schirdewan treten von Linken-Spitze zurück

Die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan haben ihren Rückzug angekündigt, um zwei Monate vor dem Parteitag in Halle im Oktober der Partei Gelegenheit zur Erneuerung zu geben, nachdem eine Serie von Wahlniederlagen und innerparteilicher Kritik ihren Rückhalt erheblich geschwächt haben.

Berlin (dpa) – Ein bedeutender Führungswechsel steht der Linken bevor: Janine Wissler und Martin Schirdewan haben ihren Rückzug als Vorsitzende angekündigt. Dies geschieht im Vorfeld des bevorstehenden Parteitags in Halle im Oktober, und die beiden Politiker haben auf der Webseite der Partei ihre Entscheidung erläutert. Es ist deutlich, dass die anhaltenden Wahlniederlagen sowie die wachsende Kritik an ihrer Führung wesentliche Faktoren für diesen Schritt sind.

Die beiden Vorsitzenden, die seit 2022 gemeinsam die Linke leiten, sahen sich in den letzten Monaten einem zunehmenden Druck gegenüber. Zuvor hatte Wissler ein erfolgreiches Führungsduo mit Susanne Hennig-Wellsow gebildet, die jedoch zurücktrat. Ihr Rücktritt war ein Signal für die verbesserungswürdige Lage innerhalb der Partei, die bereits die Europawahl im Juni mit nur 2,7 Prozent der Stimmen enttäuschend abschloss. Diese Wahl enttäuschte die Erwartungen und führte zur Frage der Zukunft der Linken.

Leidenschaftlicher Aufruf zur Erneuerung

In ihrer Erklärung betonte Wissler: «Ich halte es jetzt für den richtigen Zeitpunkt, Klarheit zu schaffen, damit die Partei genug Zeit bleibt für ein transparentes Verfahren und eine innerparteiliche Meinungsbildung zu Kandidaturen.» Diese Ermutigung zur innerparteilichen Auseinandersetzung spiegelt den Wunsch nach einem Neuanfang wider, der in der aktuellen Parteistruktur so dringend benötigt wird. Auch Schirdewan schloss sich diesem Gedanken an und appellierte an die Mitglieder, den zukünftigen Führungspersönlichkeiten Vertrauen entgegenzubringen, um einen Umgang mit der „teilweise destruktiven Machtpolitik“ innerhalb der Partei zu ermöglichen.

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Die Selbstkritik ging auch in den letzten Wochen weiter. Schirdewan äußerte gegenüber dem «Tagesspiegel»: «Keine Frage: Es ist scheiße gelaufen. Da kann man nicht drumrum reden.» Mit diesen frank und frei geäußerten Worten zeigt er auf, dass die Parteispitze bei den letzten Wahlen sowohl strategisch als auch kommunikativ deutliches Verbesserungspotential hat. Ein Vorzeichen der aktuellen Krise sind die weiterhin negativen Umfragewerte, die in den letzten Monaten wiederholt zu Tage traten.

Kritik von verschiedenen Seiten

Die Erneuerung der Linken ist unumgänglich, wie auch erfahrene Parteikollegen wie Gregor Gysi oder Dietmar Bartsch betonen. Gysi warnt vor den anhaltenden Herausforderungen und erklärt: «Wir brauchen eine strukturelle, politische und personelle Erneuerung.» Auch von Seiten jüngerer Mitglieder kam Druck auf, was den Rückzug von Wissler und Schirdewan als eine Wendepunkt für die Partei erscheinen lässt.

Außerdem könnte die Linke bei den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September erneut Rückschläge erleiden. Bei der Wahl 2019 in Thüringen konnte die Partei noch 31 Prozent der Stimmen gewinnen und stellt dort den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Aktuelle Umfragen zeigen jedoch einen dramatischen Rückgang der Zustimmung, die in Thüringen etwa halbiert ist. In Sachsen und Brandenburg stehen die Chancen ebenfalls nicht gut.

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Die führenden Köpfe der Linken stehen vor der Herausforderung, in einer Zeit massiver interner und externer Kritik die Hoffnung und das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Die Abspaltung von Sahra Wagenknecht und ihrer neu gegründeten Bewegung BSW, die in der Europawahl 6,2 Prozent der Stimmen erzielte, verdeutlicht die Schwierigkeiten, mit denen die Partei konfrontiert ist.

Ein notwendiger Neuanfang?

Angesichts der gegenwärtigen Situation könnte der angekündigte Rückzug von Wissler und Schirdewan der Schlüssel zu einem dringend benötigten Neuanfang sein. Die Linke befindet sich in einem Richtungsstreit und kämpft mit internen Konflikten, die die Öffentlichkeit spüren kann. Es bleibt abzuwarten, ob diese Veränderungen letztendlich die Partei wieder in die Erfolgsspur bringen und das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen können. Jetzt ist der Moment, an dem mögliche Kandidaten der nächsten Generation hervortreten könnten, um frischen Wind in die Geschicke der Linken zu bringen.

Der Rückzug von Janine Wissler und Martin Schirdewan als Parteivorsitzende der Linken markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Partei, die in den letzten Jahren mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert wurde. Die vergangenen Wahlniederlagen und innerparteilichen Konflikte haben die Notwendigkeit für Veränderungen innerhalb der Führungsebene deutlich gemacht. Diese Entwicklungen sind jedoch nicht isoliert, sondern stehen in einem breiteren Kontext politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in Deutschland.

Hintergrund der Parteikrisen

Die Linke hat seit ihrer Gründung im Jahr 2007 mit inneren Spannungen und einem Kampf um die Parteiführung zu kämpfen gehabt. Die politischen Wurzeln der Linken reichen zurück zu den PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus), die aus der ehemaligen SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) hervorging. Der Verlust von Stimmen bei den letzten Wahlen ist Teil eines größeren Trends, der sich über Jahre hinzieht, in dem linke Parteien in ganz Europa unter Druck geraten sind. Das hat nicht nur mit der Unzufriedenheit der Wähler zu tun, sondern auch mit dem Aufstieg anderer politischer Bewegungen, die progressive Themen der Linken übernehmen.

Analysen zeigen, dass die Linke vor allem bei jüngeren Wählern an Popularität verloren hat, was auf sinkende Zustimmungswerte für klassische sozialistische Themen hinweist. Diese Verschiebung in der Wählerschaft hat dazu geführt, dass die Partei ihre politischen Strategien überdenken muss, um attraktiv zu bleiben und relevante Themen nochmals zu beleuchten.

Wahlergebnisse und Umfragewerte

Wahljahr Ergebnisse (%) Direktmandate
2021 Bundestagswahl 4,9 3
2024 Europawahl 2,7 Nicht relevant
2019 Thüringer Landtagswahl 31
Aktuelle Umfragen (Thüringen) ca. 15

Die oben genannten Wahlergebnisse verdeutlichen den dramatischen Rückgang der Wählerunterstützung für die Linke, sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene. Während die Partei bei der Thüringer Landtagswahl noch einen signifikanten Stimmenanteil erzielen konnte, deuten aktuelle Umfragen auf einen alarmierenden Rückgang hin, was die politische Zukunft der Linken in Frage stellt. Der Abschluss der aktuellen Umfragen könnte auf eine mögliche weitere Abwanderung von Wählerstimmen hinweisen, insbesondere vor den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, die für die Partei entscheidend sein könnten.

Meinungen von Parteifunktionären

Die Stimme prominenter Parteifunktionäre, wie Gregor Gysi und Dietmar Bartsch, spiegelt das Bedürfnis nach einer grundlegenden Erneuerung in der Linken wider. Gysi betont insbesondere, dass die Partei dringend strukturelle Änderungen benötigt, um die Basis wieder zu mobilisieren und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Bartsch hat ebenfalls Bedenken geäußert, dass die Partei nur dann wieder stabiler werden kann, wenn sie sich klar positioniert und auf die Bedürfnisse der Wähler hört. Diese Stimmen sind Indizien dafür, dass ein gewisses Umdenken innerhalb der Linken notwendig ist, um die Wählerschaft zurückzugewinnen.

Die kommenden Wochen und Monate könnten entscheidend dafür sein, ob die Linke eine neue Richtung einschlägt oder weiter in der politischen Bedeutungslosigkeit versinkt. Die Ergebnisse der bevorstehenden Wahlen werden maßgeblich beeinflussen, wie sich die Partei neu orientiert und um das Vertrauen der Wählerschaft wirbt.

– NAG

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