In einem brisanten Prozess, der die düstere Vergangenheit der DDR-Staatssicherheit erneut ins Licht der Öffentlichkeit rückt, steht ein 80-jähriger ehemaliger Stasi-Offizier im Mittelpunkt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von zwölf Jahren wegen heimtückischen Mordes. Der Fall bezieht sich auf ein Verbrechen, das vor über 50 Jahren am Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße stattfand.
Am 29. März 1974 wurde ein 38-jähriger Mann hinterrücks erschossen, während er versuchte, mit einer Bombendrohung seine Ausreise aus der DDR zu erzwingen. Die Anklage sieht den aktuellen Angeklagten als Schützen, der zur damaligen Zeit als Oberleutnant und Mitglied einer Operativgruppe des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit aktiv war. Sein Auftrag umfasste die „Unschädlichmachung“ des Opfers, was in diesem Kontext einen Mord bedeutete.
Details zum Mordfall
Die Staatsanwaltschaft legt dar, dass der Angeklagte das Opfer aus einer Entfernung von zwei bis drei Metern mit einem gezielten Schuss in den Rücken traf, während es sich an einem der frequentiertesten Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin befand. Dieser Vorfall geschah in einem hochsensiblen politischen Umfeld, und die Absicht der Täter war klar: sie wollten das Opfer zum Schweigen bringen und sicherstellen, dass er die Grenze nicht lebend überqueren würde.
Die Verteidigung hingegen plädiert auf Freispruch und betont, dass es nicht klar bewiesen sei, ob ihr Mandant tatsächlich die Person war, die den tödlichen Schuss abgab. Unklarheiten in der Beweislage und das lange Zeit benötigte Ermittlungsverfahren sorgen für zusätzliche Spannungen in diesem bereits komplexen Fall. Die Verteidigerin wies darauf hin, dass ihr Klient im Prozess geschwiegen hat.
Wesentlich für die erneute Aufarbeitung des Falles war ein entscheidender Hinweis aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv, der 2016 ans Licht kam. Dies führte die Staatsanwaltschaft dazu, die Tat nicht mehr als Totschlag zu bewerten, was eine Verjährung zur Folge gehabt hätte. Stattdessen wurde die Anklage auf Mord erhoben, da das Mordmerkmal der Heimtücke zufriedenstellend nachgewiesen werden konnte.
Das Einsteigen des Opfers in die polnische Botschaft mit einer Attrappe war ein verzweifelter Versuch, seine Flucht in den Westen zu erreichen. Während den Verhandlungen wurde der Zwiespalt zwischen dem persönlichen Schicksal des Opfers und der staatlichen Repression der damaligen DDR deutlich. Die Entscheidung des Gerichts, die für Montag erwartet wird, könnte eine neue Dimension der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Stasi und deren Vergehen gegenüber dem eigenen Volk darstellen.
Für viele ist dieser Prozess ein Symbol für die immer noch nicht abgeschlossene Aufarbeitung der Zeiten der DDR und deren repressiven Maßnahmen. Das Urteil könnte nicht nur das Schicksal des Angeklagten bestimmen, sondern auch die Art und Weise, wie die Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit umgeht. Ob dies zu einer umfassenderen Diskussion über die Vergehen der Stasi führen wird, bleibt abzuwarten, doch der Ausgang des Prozesses hat das Potenzial, weitreichende Implikationen zu haben. Weitere Informationen zu diesem bedeutenden Fall finden sich in einem aktuellen Bericht auf www.rbb24.de.