In einer bahnbrechenden Studie haben Forscherteams der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) neuartige Tabakpflanzen erschaffen, die es ermöglichen, die Signale zu entschlüsseln, die Pflanzen aus ihrer Umwelt empfangen. Diese Untersuchung beleuchtet, wie Pflanzen auf Stressfaktoren reagieren, und könnte weitreichende Auswirkungen auf die Pflanzenforschung haben.
Pflanzen stehen einzigartigen Herausforderungen gegenüber, insbesondere wenn es um Bedrohungen durch Schädlinge oder unvorteilhafte Umweltbedingungen geht. Im Gegensatz zu Tieren sind sie nicht in der Lage, sich physisch zu bewegen und ihren Standort zu ändern. Aus diesem Grund haben sie vielfältige Strategien entwickelt, um auf solche externen Bedrohungen zu reagieren. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Veränderungen in dem sekundären Botenstoff Calcium, der oft an den Signalwegen beteiligt ist, die Pflanzen aktivieren, um sich zu verteidigen.
Neuartige optogenetische Ansätze
Die Würzburger Forschungsteams, bestehend aus Experten in den Bereichen Botanik, Neurophysiologie und Pharmazeutische Biologie, haben nun einen neuen Weg beschritten. Dabei handelt es sich um den Einsatz von optogenetischen Tabakpflanzen, die es ermöglichen, ionenbasierte Signale mithilfe von Lichtsteuerung präzise zu manipulieren. Diese Methode geht auf die Entwicklung lichtempfindlicher Ionenkanäle zurück, die erstmals von Peter Hegemann und Georg Nagel vor über 20 Jahren beschrieben wurden und die Grundlage für die Optogenetik bildeten.
Für die aktuelle Studie war die Unterstützung von Channelrhodopsinen erforderlich, die das Licht absorbieren können. Diese Eiweiße sind in Algen und Mikroorganismen enthalten und ermöglichen eine präzise Steuerung der Ionenströme in Pflanzenzellen. Zuvor waren umfangreiche Vorarbeiten notwendig, um die Expression dieser Produkte erfolgreich zu implementieren.
Erfolgreiche Herausforderungen
Die Wissenschaftler um Dr. Shiqiang Gao standen vor mehreren Herausforderungen. Zunächst benötigten die Channelrhodopsine Retinal – ein essentielles Molekül, das in Pflanzen nicht vorhanden ist, die aber reich an Beta-Carotin sind. Gao gelang es jedoch, eine Methode zu entwickeln, durch die Pflanzenzellen Retinal aus Beta-Carotin produzieren konnten. Dies führte zur Entwicklung von transgenen Tabakpflanzen mit hohen Retinalgehalten.
Darüber hinaus mussten die Pflanzen in einer speziellen Umgebung wachsen, um eine unbeabsichtigte Aktivierung der Rhodopsine zu verhindern. Tests zeigten, dass die Verwendung von rotem LED-Licht den Pflanzen keine gesundheitlichen Nachteile brachte und eine gezielte Forschung ermöglichte.
Eine weitere Herausforderung war die erfolgreiche Expression der Channelrhodopsine in Tabakpflanzen. In einem früheren Versuch gelang es den Würzburger Wissenschaftlern, einen Anionenkanal in Tabakzellen zu integrieren. Diese Fortschritte führten dazu, dass die Wissenschaftler nun unterschiedliche Channelrhodopsine entwickeln konnten, die optimiert sind für die Durchlässigkeit von Calcium-Ionen.
Exakte Ergebnisse durch Lichtsteuerung
Die neu generierten Tabakpflanzen erlaubten den Forschern zu untersuchen, ob der Einstrom von Calcium-Ionen oder eine Depolarisation der Zellmembran für die Stressreaktion entscheidend ist. Die Ergebnisse waren überraschend: Während Pflanzen mit einem aktivierten Anionenkanal auf eine Stresssituation mit typischen Reaktionen wie Welken und der Produktion des Hormons Abscisinsäure (ABA) reagierten, verhielten sich die Pflanzen mit aktivierten Calciumkanälen völlig anders und produzierten andere Signalmoleküle.
Insgesamt zeigt diese Forschung nicht nur, wie Pflanzen auf Stress reagieren, sondern eröffnet auch eine neue Ära in der Pflanzenforschung. Forscher sind sich sicher, dass künftige Untersuchungen mit Channelrhodopsinen tiefere Einblicke in die Signalverarbeitung von Pflanzen ermöglichen werden.
Die ursprüngliche Studie ist in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht worden und kann unter dem Titel „Probing plant signal processing optogenetically by two channelrhodopsins“ nachgelesen werden.
Für weitere Informationen stehen Dr. Kai Konrad und Dr. Shiqiang Gao von der JMU für Anfragen zur Verfügung.
– NAG