Die Sprachentwicklung von Kindern ist ein faszinierender Prozess, der etwa im Alter von ein bis eineinhalb Jahren in Gang kommt. Je nach individuellem Entwicklungsstand können manche Kinder bereits mit neun Monaten kleine Worte sprechen, während andere erst mit zweieinhalb Jahren ihre ersten Worte formulieren. Doch wie trägt die Interaktion mit den Eltern zu dieser entscheidenden Phase bei? Nathalie Frey, Logopädin an der Universität Würzburg, gibt wertvolle Einblicke, wie Eltern die Sprachentwicklung ihrer Kleinen aktiv unterstützen können.
Die Bedeutung von Kommunikation für die Sprachentwicklung ist nicht zu unterschätzen. Frey erklärt, dass es darum geht, Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten zu schaffen. Dies umfasst nicht nur das einfache Nennen von Tieren in einem Bilderbuch, sondern auch das Erweitern der Konversation durch detaillierte Beschreibungen. So sagt sie: „Das ist eine Kuh. Die Kuh ist braun. Ihr Fell ist weich. Wo siehst du noch eine Kuh?“ Mit diesem Ansatz „versprachlicht“ man die Umgebung und fördert die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder.
Interaktive Ansätze zur Sprachförderung
Besonders wichtig ist es, beim Vorlesen oder beim Spielen auf die Interaktion zu setzen. Anstatt nur auf Inhalte zu verweisen, sollten Eltern auch aktiv in die Kommunikation einsteigen. Dies gilt nicht nur für Bilderbücher, sondern auch für gemeinsame Ausflüge, sei es auf den Spielplatz oder in den Zoo. Indem Eltern die Erlebnisse ihres Kindes verbal begleiten, zeigen sie ihnen auf eine anschauliche Art und Weise, wie Sprache funktioniert.
Für die ganz Kleinen, die oftmals noch nicht viele Wörter äußern können, empfiehlt Frey, Gesten und Gebärden zu nutzen. Diese visuelle Form der Kommunikation ermöglicht es den Kindern, ihre Bedürfnisse auszudrücken, auch wenn ihnen die Worte fehlen. „Diese Interaktion kann die Kommunikation zwischen Kind und Bezugsperson erheblich verbessern“, so Frey. Kinder fühlen sich so gehört und können besser vermitteln, was sie benötigen oder wünschen.
Der Einfluss der Baby-Zeichensprache
Ein weiterer spannender Aspekt ist der Einsatz von Baby-Zeichensprache. Obwohl die Wissenschaft die Behauptung, dass Kinder, deren Eltern diese Methode verwenden, später besser sprechen, nicht definitiv belegen kann, betont Frey deren Nutzen. Die haptische Kommunikation mit den Händen macht die Sprache sichtbarer und fördert das Verständnis. „Ich möchte Eltern ermutigen, bewusst und aktiv in die Kommunikation mit ihren Kindern einzutauchen“, erklärt die Logopädin. Ob verbal oder mithilfe von Gesten, der Schlüssel liegt in der aktiven Gestaltung dieser Interaktionen.
Frey gibt den Eltern den wertvollen Ratschlag, alle Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Interaktion spannend zu gestalten. Dabei sollten sie darauf achten, die Gesten ihrer Kinder wahrzunehmen und aktiv darauf zu reagieren. Oftmals enthalten diese nonverbalen Signale bedeutende Impulse für eine tiefere Verständigung. Eltern sollten sich ermutigt fühlen, sich auf diese Art der Kommunikation einzulassen, um die Sprachentwicklung ihrer Kinder bestmöglich zu fördern.
Die Rolle der frühen sprachlichen Interaktion
Die frühe sprachliche Interaktion zwischen Eltern und Kind ist entscheidend für die Sprachentwicklung. Studien zeigen, dass Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren regelmäßig mit interaktiven Gesprächen und verbalem Austausch konfrontiert werden, tendenziell einen größeren Wortschatz und bessere kommunikative Fähigkeiten entwickeln. Laut einer amerikanischen Studie, die im Journal of Child Language veröffentlicht wurde, haben Kinder, deren Eltern häufig mit ihnen sprechen, bessere Ergebnisse in Sprachtests. Der Bezug, den Kinder zu Sprache haben, wird erheblich durch die Qualität und Quantität der verbalen Interaktionen in der frühen Kindheit beeinflusst.
Ein Beispiel für die Bedeutung der Kommunikation zeigt die Hart-Ruppenthal-Studie, die 2016 durchgeführt wurde und ermittelte, dass Kinder, die von Geburt an in ein reichhaltiges sprachliches Umfeld eingebettet sind, eine um bis zu 50% höhere Wahrscheinlichkeit haben, mit 5 Jahren die Erwartungen an ihre sprachlichen Fähigkeiten zu übertreffen.
Die Bedeutung der Umgebung für die Sprachentwicklung
Die Umgebung, in der ein Kind aufwächst, spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle in der sprachlichen Entwicklung. Eine anregende Umgebung mit Zugang zu Büchern, Spielen, und sozialen Interaktionen fördert die Sprachentwicklung erheblich. Die Verwendung von Bilderbüchern und Geschichten ist nicht nur ein schöner Zeitvertreib, sondern auch eine hervorragende Möglichkeit, den Wortschatz und das Verständnis von Sprache zu erweitern.
Gemäß Angaben der Stiftung Lesen ist der Zugang zu Büchern in den ersten Lebensjahren entscheidend. Kinder, die regelmäßig Bücher anschauen und vorgelesen bekommen, entwickeln nicht nur eine bessere sprachliche Ausdrucksfähigkeit, sie haben auch höhere Chancen auf späteren schulischen Erfolg. Das Vorlesen regt die Fantasie an, fördert das Verständnis für soziale Interaktionen und bietet zahlreiche Gelegenheiten, neue Wörter in einem ansprechenden Kontext kennenzulernen.
Missachtung dieser Elemente kann zu Sprachentwicklungsstörungen führen. Das Deutsche Ärzteblatt führt unter Berufung auf die WHO an, dass etwa 7-10% der Kinder Sprachentwicklungsprobleme haben, wenn sie in einem nicht stimulierenden Sprachumfeld aufwachsen.
Förderung von Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit
Ein weiterer relevanter Aspekt des Themas ist die Förderung der Mehrsprachigkeit. In einer zunehmend globalisierten Welt ist die Fähigkeit, mehrere Sprachen zu sprechen, ein wertvolles Gut. Experten betonen die Vorteile von Mehrsprachigkeit, die über die rein sprachlichen Fähigkeiten hinausgehen. Kinder, die in mehrsprachigen Umfeldern aufwachsen, zeigen oft eine höhere kognitive Flexibilität und sind kreativer in Problemlösungsansätzen.
Laut der Studie von Bialystok et al. (2012), veröffentlicht in der Zeitschrift „Cognition“, können mehrsprachige Kinder besser zwischen verschiedenen Aufgaben wechseln, was auf eine verbesserte exekutive Funktion hinweist. Das bedeutet, dass nicht nur der Wortschatz dieser Kinder umfangreicher sein kann, sondern auch ihre allgemeinen intellektuellen Fähigkeiten gefördert werden.
Es wird empfohlen, dass Eltern die Sprache, in der sie sich am wohlsten fühlen, im Alltag verwenden. Eine natürliche Integration mehrerer Sprachen in Routinen kann das Lernen unterstützen, ohne dass Druck auf das Kind ausgeübt wird, bestimmten sprachlichen Normen zu folgen.
Für weitere Informationen zu diesem Thema empfiehlt sich ein Blick auf die Homepage der Stiftung Lesen oder die Seite der Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
– NAG