Die Welt des Online-Datings hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und hat mittlerweile einen festen Platz im Leben vieler Menschen gefunden. Mit über 20 Millionen Deutschen, die bereits Plattformen wie Tinder, Parship oder Bumble genutzt haben, zeigen Umfragen des IT-Branchenverbands Bitkom, wie stark diese Form der Partnersuche verbreitet ist. Dabei haben rund 60 Prozent der Befragten bereits eine feste Beziehung über diese Apps gefunden, was die Erfolgschancen unterstreicht.
Doch während die Möglichkeiten der virtuellen Partnersuche verlockend erscheinen, gibt es auch Schattenseiten. Eine kürzlich in Prag vorgestellte Studie aus Indien hat auf die Unsicherheiten hingewiesen, unter denen insbesondere junge Menschen leiden. Mehr als die Hälfte der 18- bis 30-Jährigen gab an, bei der Partnersuche durch das Überangebot an Optionen irritiert zu sein. Besonders betroffen sind Frauen, denen durch zahlreich bearbeitete Fotos und unrealistische Erwartungen oft ein unerreichbares Ideal präsentiert wird.
Die Schattenseite des Datings
Paartherapeutin Wera Aretz warnt sogar vor einem Phänomen, das als Dating-Burnout bezeichnet wird. Dieses Syndrom, das jedoch keine offizielle Krankheit darstellt, äußert sich in emotionaler Erschöpfung, Zynismus und vermindertem Interesse an der Partnersuche. Schätzungsweise 14 Prozent der Nutzer solcher Plattformen erleben Symptome, die mit anhaltendem Stress und Frustration verbunden sind. Die ständige Tätigkeit des Wischens durch Profile und das repetitive Versenden ähnlicher Nachrichten ohne Erfolg können zu einem Gefühl der Überforderung führen.
Ein weiteres Risiko stellt Ghosting dar, bei dem Kontaktpartner plötzlich ignoriert oder blockiert werden. Dies kann zu emotionalen Verletzungen führen und das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen. Besonders gefährdet scheinen jene Nutzer, die ohnehin mit geringem Selbstwertgefühl oder Bindungsängsten zu kämpfen haben.
Diese Schwierigkeiten werden durch die weit verbreitete Praxis des „Optimizings“ der Profile verstärkt. Sozialpsychologin Johanna Degen erklärt, dass Nutzer oft dazu neigen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, was zusätzlichen Druck erzeugt. Männer geben beispielsweise ihre Körpergröße an, während Frauen versuchen, sich optisch zu verjüngen. Doch die Realität entsprechende Erwartungen zu erfüllen, kann schnell zu Enttäuschungen führen, wenn die tatsächliche Person dem idealisierten Bild nicht gerecht wird.
Mehrgleisig fahren und die Komplexität der Beziehungen
Ein interessantes Phänomen beim Online-Dating ist die Nutzung von Plattformen durch bereits in einer Beziehung befindliche Personen. Einige, die in festen Partnerschaften sind, verwenden weiterhin Dating-Apps aus unterschiedlichen Gründen. Einige Paare erkunden gemeinsam ihre Sexualität, während andere in offenen Beziehungen nach neuen Erfahrungen suchen. Allerdings kann Geheimhaltung in diesen Fällen zu Missverständnissen und ernsthaften Konflikten führen.
Ein Vorteil des Online-Datings ist die Möglichkeit, Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zu treffen, was die gesellschaftliche Diversität fördern kann. Die Auswahl, die das Internet bietet, eröffnet Chancen, die im Alltag oft nicht gegeben sind. Es zeigt, dass die Partnersuche über Landesgrenzen hinaus und ohne große Barrieren stattfinden kann.
Das gängige Vorurteil, dass das Online-Dating lediglich nach flüchtigen Bekanntschaften strebt, wird durch die Befragung des Bitkom widerlegt. Lediglich 6 Prozent der Nutzer berichten, dass Sex im Vordergrund steht – 71 Prozent wünschen sich stattdessen eine feste Beziehung.
Für eine erfolgreiche Partnersuche empfehlen einige Experten, kostenpflichtige Apps auszuprobieren, da diese eine ernstere Absicht bei den Nutzern vermuten lassen. Dennoch sind kostenlose Plattformen wie Tinder bei jungen Menschen besonders beliebt, da diese oft die gleiche Zielgruppe ansprechen.
Wichtig bleibt, sich selbst treu zu bleiben und nicht nur die besten Aspekte zu zeigen oder sich als jemand auszugeben, der man nicht ist. Um die passende Person zu finden, erfordert es Ehrlichkeit und den Mut, unangenehme Wahrheiten in Kauf zu nehmen. Ein Sprichwort sagt: „Um die Nadel im Heuhaufen zu finden, musst du den Heuhaufen abbrennen“ – und das könnte nicht passender sein für die Suche nach der Liebe in der digitalen Welt.
– NAG