Im evangelischen Dekanat Passau zeichnet sich ein bedeutender Schritt gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche ab. Als erstes Dekanat in Bayern plant Passau, alle Personalakten auf mögliche Missbrauchsfälle zu überprüfen. Der Vorschlag stammt von Rainer Sebastian, einem Mitglied der Synode und zugleich Bezirksvorsitzenden des evangelischen Arbeitskreises der CSU. Die Synode hat seinem Antrag kürzlich zugestimmt, was als wegweisend für die gesamte bayerische evangelische Kirche angesehen wird.
Rainer Sebastian hebt hervor, dass das Dekanat aufgrund seiner überschaubaren Größe ein idealer Ausgangspunkt für diese Maßnahme ist. "Wenn man irgendwo anfängt, dann bei uns", äußerte er im Interview mit dem Sonntagsblatt. Dieser Schritt könnte sich als entscheidend herausstellen, um Dunkelziffern von Fällen zu reduzieren und Transparenz in die Vorgänge innerhalb der Kirche zu bringen.
Erhebliche Anzahl an Personalakten
Die vorgelegte ForuM-Studie hat bereits erschreckende Zahlen veröffentlicht. Insgesamt wurden mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter identifiziert. Diese Zahlen könnten jedoch nur die Spitze des Eisbergs darstellen, da die Forscher von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgehen. In ihrem Bericht deckten sie 129 beschuldigte Personen und 226 Taten in der Zeitspanne von 1917 bis 2020 auf.
Sebastian ist sich daher sicher, dass das Dekanat Passau nicht nur bei den Personalakten eine Vorreiterrolle einnehmen wird. Er betont, dass die beste Prävention beinhalten muss, auch die älteren Fälle zu untersuchen. "Erwischen ist die beste Prävention", so seine klare Ansage. Er fordert, dass die Untersuchung nicht im Sande verläuft und drängt auf eine zügige Analyse.
Beschränkter Zugang zu Akten
Der Dekan von Passau, Jochen Wilde, äußerte sich positiv zu Sebastians Initiative, räumte aber ein, dass der Zugriff auf Personalakten beschränkt ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann das Dekanat lediglich auf die Akten der hauseigenen Angestellten zugreifen, wozu etwa 15 Personen zählen. Pfarrer und Diakone fallen nicht unter diesen Zugriff, da sie im direkten Dienstverhältnis zur bayerischen Landeskirche stehen.
In Reaktion auf diese Einschränkungen hat die Dekanatssynode die bayerische Landeskirche aufgefordert, die Personal- und Disziplinarakten sämtlicher kirchenrechtlich unterstellter Bediensteter im Dekanat Passau innerhalb eines Jahres zu sichten. Sebastian ist optimistisch, dass die Landeskirche die Umsetzung unterstützen wird und erwartet von der Kirche, dass sie diese Herausforderung annimmt. Sollte dem nicht so sein, würde er die Kirche in der Verantwortung sehen: "Dann hat die Kirche versagt", erklärte er.
Diese Entwicklungen zeigen, dass die evangelische Kirche in Bayern gewillt ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und transparent zu agieren. Mit der Durchforstung der Personalakten könnte ein Weg bereitet werden, der das Vertrauen in die Institution stärken und möglicherweise weitere Fälle von Missbrauch aufdecken könnte. Der gesamte Prozess wird nun mit großem Interesse verfolgt, da er Vorbildfunktion für andere Dekanate übernehmen könnte.
Die vollständigen Details zur ForuM-Studie und weitere Entwicklungen sind unter Sonntagsblatt zu finden.
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