Neu-UlmNürnberg

Kirche und LGBTQ+: Dekan Krannich über Toleranz und Vertrauen in Ulm

Nach einem bewegten Jahr, in dem der Pastor Quinton Ceasar beim Kirchentag in Nürnberg mit seiner Feststellung „Gott ist queer“ für eine massive Debatte sorgte, äußert sich Dekan Torsten Krannich vor dem Christopher-Street-Day in Ulm zu den Spannungen zwischen Kirche und queeren Menschen und diskutiert die Frage, wie die Kirche Vertrauen zurückgewinnen kann – ein Thema, das die Gesellschaft spaltet und die alten Traditionen herausfordert!

Vor einem Jahr sorgte die Aussage des evangelischen Pastors Quinton Ceasar während des Kirchentags in Nürnberg für heftige Reaktionen. „Gott ist queer“, rief er und entfachte damit eine breite Diskussion über Toleranz gegenüber Transmenschen und das Selbstbestimmungsgesetz. Diese Debatte beleuchtet die Herausforderungen und Differenzen, die im Spannungsfeld zwischen Kirche und LGBTQ+-Gemeinschaft auftreten.

Torsten Krannich, Dekan des Kirchenbezirks Ulm, äußert sich in einem Interview über die Verbindung zwischen Transsexualität und Kirche. Sein Engagement, beim Christopher-Street-Day (CSD) in Ulm und Neu-Ulm teilzunehmen, ist nicht nur beruflich motiviert, sondern hat auch persönliche Wurzeln. „Ich habe selbst im Familienumfeld ein Coming-out erlebt und gelernt, mit den Irritationen umzugehen, die das auslösen kann“, erklärt er.

Die Stimme der Kirche beim CSD

Kranich drückt seine Freude über die Einladung aus, eine Stimme der Kirche beim CSD zu repräsentieren, erkennt jedoch die anhaltenden Konflikte in der Wahrnehmung von Homosexualität an. „Beim Thema Homosexualität ist viel kaputtgegangen, da müssen wir ehrlich sein. Und wir waren dabei nicht die Guten“, sagt er. Die katholische Kirche hat lange Homosexualität als Sünde betrachtet, was das Vertrauen bei Trans- und queeren Menschen erheblich erschüttert hat.

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Angesprochen auf die Kluft zwischen älteren und jüngeren Kirchenbesuchern, befürchtet Krannich, dass extreme Darstellungen, wie die einer Dragqueen, für Aufregung sorgen könnten. „Ich glaube nicht, dass wir im Ulmer Münster jemals eine Dragqueen auftreten lassen. Das würde für einen Eklat sorgen“, bemerkt er. Er fordert, dass die Kirche mehr Raum für Gespräche schaffen muss, um das Vertrauen in die Institution wiederherzustellen.

Besonders positiv bewertet Krannich die Tatsache, dass inzwischen auch Trauungen für homosexuelle Paare im Ulmer Münster vollzogen werden. „Das sind Schritte in die richtige Richtung und notwendig, um inklusiv zu sein“, so der Dekan. Aber wie soll die Kirche mit den unterschiedlichen Gottesbildern umgehen? Krannich betont, dass Gott laut Bibel eine Vielzahl von Gesichtern hat. „In der Bibel gibt es sehr unterschiedliche Gottesbegriffe, zum Beispiel von Gott als Vater oder als Mutter“, erklärt er.

Kampf um Akzeptanz und Verständigung

Die Diskussion über das Selbstbestimmungsgesetz spiegelt die gesellschaftlichen Spannungen wider. Kritiker befürchten, dass dieses Gesetz Frauenhäuser und andere Schutzräume belastet. Krannich sieht die Kirche in der Pflicht, Wege zur Annäherung zu finden, auch wenn er zugibt, dass sie selbst keine Lösungen bieten kann. „Das muss der Gesetzgeber tun“, stellt er fest. Die Frage bleibt, ob die Kirche eine Antwort auf die Spaltung der Gesellschaft liefern kann, die durch solche Themen immer weiter vertieft wird.

„Wichtig ist, dass alle Menschen ein Schutzinteresse verdienen“, so Krannich. Es sei entscheidend, andere Lebensentwürfe zu akzeptieren, auch wenn sie von den eigenen Überzeugungen abweichen. Die Sichtbarkeit homosexueller Paare in der Öffentlichkeit, etwa beim Händchenhalten, wird inzwischen als normal angesehen. Doch der Weg zu echter Akzeptanz bleibt steinig.

Torsten Krannich ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder. Zuvor lebte er in der Ostalb und leitete das Pfarramt in Essingen. Seit etwa eineinhalb Jahren ist er jetzt Dekan in Ulm, wo er sich auch aktiv mit kirchlichen und kunsthistorischen Themen beschäftigt. Der CSD in Ulm/Neu-Ulm findet am Samstag, den 14. September, statt, beginnend um 15 Uhr am Münsterplatz.

Die Kirchengemeinschaft steht in der Verantwortung, über den Tellerrand zu schauen und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Akzeptanz und das Vertrauen der LGBTQ+-Gemeinschaft zurückzugewinnen. Ein offenes Ohr, Dialog und Inklusion könnten die Schlüssel dazu sein, dass die Kirche in dieser Thematik eine positive Rolle spielt und den Bedürfnissen von queeren Menschen gerecht wird.

Für mehr Informationen zu den aktuellen Debatten und dem CSD in Ulm, siehe die aktuelle Berichterstattung auf www.schwaebische.de.

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