Die Bahn wird oft als ein Ärgernis betrachtet, doch die aktuelle Schienenersatzverkehrsaktion auf der Werdenfelsbahn zwischen dem Münchner Hauptbahnhof und Starnberg hat eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Das SEV, das für Schienenersatzverkehr steht, ist nun ein Ausdruck von Sport, Ertüchtigung und menschlicher Verbindung. Diese ungewöhnliche Wendung ist das Ergebnis von Bauarbeiten, die seit Samstag im Gange sind.
Die reguläre Zugfahrt von Murnau nach München dauert normalerweise nur knapp eine Stunde. Doch während der aktuellen Baustelle verlängert sich die Reisezeit auf über zwei Stunden. Die Bahn versteht dies als Chance, ihre Passagiere nicht nur zu transportieren, sondern sie auch körperlich zu „ertüchtigen“. Passagiere, die denken, sie seien im Zug, erleben nun stattdessen ein körperliches Workout, während sie auf ihre Busse warten.
Orientierungsprobleme und Reiseabenteuer
Ein deutliches Beispiel für die Herausforderungen, die dieser SEV mit sich bringt, zeigt sich bereits beim Ausstieg in Starnberg. Viele Passagiere, darunter eine sechsköpfige Familie, sind unsicher, wo es weitergeht. Anscheinend gibt es keine klaren Wegweiser. Verwirrt und etwas frustriert stehen sie vor der Wahl: rechts abbiegen, wo viele Busse stehen, oder links, wo die tatsächlichen SEV-Busse bereitstehen. Dieses Durcheinander sorgt für Bewegung und bringt das Herz-Kreislauf-System in Schwung – ob gewollt oder nicht.
Insbesondere die ältere Dame mit einem Rollator, die nun schnell die Richtung wechseln muss, trifft eine interessante Wahl. Auch wenn sie am Ende auf ihren Rollator angewiesen ist, ist der Weg an die frische Luft für viele angesichts des Wartens an der Station ein Lichtblick. Für eine Familie auf Rückreise ins Sauerland wird die Situation hingegen zum Abenteuer. Sie fragen sich, wie lange sie auf ihren Bus warten müssen und ob sie ihren Anschluss in München schaffen, was letztlich zu einer spontanen Organisation eines Großraumtaxis führt, das sie für etwa 80 Euro direkt zum Hauptbahnhof bringt.
Die Busse selbst halten aufgrund von Baustellen in München nicht direkt am Hauptbahnhof, sondern in der Elisenstraße. Dort angekommen, müssen die Passagiere blitzschnell auf den Radweg ausweichen, um nicht von den vorbeifahrenden Radfahrern erwischt zu werden. Die Flexibilität, die hier gefordert ist, könnte tatsächlich als eine sportliche Herausforderung angesehen werden.
Information und Orientierung
Eine weitere Herausforderung stellt sich den Fahrgästen am Hauptbahnhof, die in die Alpen weiterreisen möchten. „Zug fällt aus“, ist auf den Anzeigetafeln zu lesen, und die Wegweiser lassen zu wünschen übrig. Hier wird die Eigenentscheidung gefordert: Der DB-Navigator ist zwar vorhanden, doch der Hinweis, dass der Bushalt nicht am Bahnhof sei, scheint für viele verwirrend. Um zur Elisenstraße zu gelangen, müssen Passagiere eine Vielzahl von Hindernissen, wie Zebrastreifen und Ampeln, überwinden.
Die Deutsche Bahn hat dazu geäußert, dass das SEV-Programm erst einmal „einspielen“ müsse, basierend auf Erfahrungen aus früheren Sperrungen. Auf die Fragen der Süddeutschen Zeitung zu ihrem Fitnessprogramm wusste man nicht sofort zu antworten, das würde noch etwas Zeit in Anspruch nehmen.
Für Passagiere, die mit einem vollen Bus reisen, gibt es laut den Vorschriften eine weitere Einschränkung. Stehende Fahrgäste sind nur bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h erlaubt, was die Reise nach Starnberg erheblich verlängern kann. Ist der Bus jedoch voll, könnte es durchaus passieren, dass die Fahrt länger dauert als ursprünglich anvisiert – was vielleicht für einige Reisende die Fitnessziele in den Schatten stellt.
Die aktuelle SEV-Situation zeigt also nicht nur die Herausforderungen des öffentlichen Nahverkehrs, sondern auch, wie man diese für sportliche Aktivitäten nutzen kann. Unter dem Strich mag das Chaos zwar frustrierend sein, bietet aber auch Raum für unerwartete Begegnungen und Abenteuer – eine Art modernes Fitnessprogramm durch die bayerische Landschaft.
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