Wenn die ersten Strahlen der Morgensonne einen Garten im fränkischen Kitzingen erhellen, wird aus der stillen Nacht ein prachtvolles Farbenspiel. Hier blühen leuchtende Stachelkugeln des Rhizinus neben den filigranen Blüten der Gummibärchenblume. In der warmen Sommerluft swingen die zarten Cosmea-Blüten in kräftigen Farben, während das Currykraut und der Eukalyptus einen silbernen Glanz verbreiten. Auf dieser großen Terrasse, umgeben von Reben und Wäldern, erwartet die Besucher eine lebendige Pflanzen-Oase, die für die 42-jährige Sigrid Paravac weit mehr ist als nur ein Garten – es ist ihr Lebenswerk.
Der Garten, den Paravac liebevoll „Slowflowers“ nennt, ist ein Paradies für Blumenliebhaber. Hier wachsen nicht nur Blumen, sondern auch üppige Kräuter und Sträucher, die harmonisch miteinander kombiniert sind. „Willkommen in meinem Garten“, begrüßt sie Besucher mit einem Lächeln, während sie zwischen ihren Pflanzinseln umhergeht. Trotz ihrer beeindruckenden gärtnerischen Fähigkeiten ist ihr beruflicher Hintergrund alles andere als traditionell. „Ich bin Physik-Ingenieurin. Halbleitertechnologie ist mein Fachgebiet. Ein Kopfding“, erklärt sie und wird dabei sichtlich emotional.
Der Wandel vom Ingenieur zur Botanik-Enthusiastin
Der Weg zu diesem blühenden Paradies war nicht geradlinig. In ihrer Kindheit war die in Nürnberg aufgewachsene Sigrid Naturfreundin, doch erst durch zwei prägende Ereignisse änderte sich ihr Leben grundlegend. Mit der Geburt ihres ersten Kindes vor acht Jahren erlebte sie eine völlige Transformation. Zusammen mit ihrem Ehemann Aleksander, mit dem sie mittlerweile drei Kinder hat, suchte sie nach einem neuen Zuhause. Ihr Traum? Ein „normales Häuschen mit Garten“. Doch als sie eine heruntergekommene Gärtnerei entdeckte, war es um sie geschehen: „Die Lage, der Platz – sowas findet man nicht nochmal“, schildert sie begeistert.
Obwohl das Wohnhaus Sanierung benötigt und das Grundstück sehr verwildert war, sah Paravac eine Chance, ihren Traum von einem Garten zu verwirklichen, der den Prinzipien der Permakultur und der Slowflower-Bewegung folgt. „Hier wollte ich etwas aufbauen, das im Einklang mit der Natur steht. Ich wusste, dass ich für dieses Projekt brenne“, fügt sie hinzu und schwenkt mit einer Hand über die blühenden Pflanzen.
Ein biologisches Paradies ohne chemische Zusätze
Vor ihrem 30. Geburtstag begann Sigrid, sich gezielt mit Permakultur zu beschäftigen, um zu lernen, selbstbeständig zu gärtnern. „Früher ging es mir darum, etwas zu essen. Nun entdecke ich die Schönheit der Blumen“, erklärt sie. „Auf nur 20 Quadratmetern habe ich 100 Kilo Gemüse geerntet.“ Ihre Leidenschaft für Mischkulturen, bei denen Pflanzen sich gegenseitig helfen, wuchs mit jedem Jahr und bald stieß sie auf die Slowflower-Bewegung. Die Idee fand Resonanz bei ihr: ein Netzwerk von Gleichgesinnten, die nachhaltig wirtschaften und auf umweltfreundliche Praktiken setzen.
Sigrid Paravac ist stolz darauf, ein Teil dieser Bewegung zu sein. So ist es nicht verwunderlich, dass sie ihre Fläche für Experimente nutzt. Neben ihrem Blumengarten zeigt sie auch eine Wildblumenwiese und einen Waldgarten. Gemeinsam mit einem Winzer erprobt sie, welche Pflanzen die Wärme der Südlage-Reben ertragen und dabei helfen können, die Gründung des biologisch geführten Gartens weiter zu stärken. „Ich lerne ständig dazu“, versichert sie mit einem strahlenden Lächeln.
Angesichts der industrialisierten Blumenproduktion macht sich Paravac jedoch auch Sorgen. „Fast jeder liebt Blumen, aber nur wenige Menschen denken darüber nach, wo sie herkommen und wie sie produziert werden. 90 Prozent der Schnittblumen stammen heutzutage aus dem Ausland, konserviert mit gefährlichen Pestiziden“, warnt sie. Das Ergebnis? Oft sind die Blumen, die durch ihre Haltbarkeit geformt wurden, duftlos und geschmacklos. „Es ist erschreckend, was wir durch die langen Transportwege und die Chemikalien in Kauf nehmen“, sagt sie ernster.
Ihr Ziel ist klar: Sigrid Paravac möchte das Bewusstsein für regional angebaute Blumen schärfen und die Menschen dazu anregen, bewusster zu konsumieren. „Niemand sollte auf Blumen verzichten müssen. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen die Schönheit unserer Region schätzen und regional angebaute Blumen kaufen“, äußert sie. Einige Floristen haben bereits ihr Interesse signalisiert und finden hier eine reiche Vielfalt an kreativen Möglichkeiten. Auch Privatpersonen können ihre Wunschblumen ernten und so an der Schönheit des Gartens teilhaben.
„Rupfen, was das Zeug hält“, so beschreibt sie ihre Philosophie des Erntens, die von einer tiefen Verbundenheit mit der Natur zeugt. „Kunden sind bei mir keine Schnäppchenjäger, sondern Menschen, die Blumen als Lebewesen schätzen und erleben wollen“, fügt sie abschließend hinzu und schenkt ihrem Garten einen liebevollen Blick, während die Farben in der Nachmittagssonne verblassen.
– NAG