In den letzten Jahrzehnten hat die Digitalisierung nicht nur unser Alltagsleben, sondern auch den Umgang mit belastenden Erfahrungen nachhaltig verändert. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Initiative von Iris F., die sich darum bemüht, das schmerzhafte Erbe der Kinderverschickung aufzuarbeiten. Dabei handelt es sich um eine Praxis, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts viele Kinder betraf und oft zu traumatischen Erlebnissen führte. Unzählige Kinder wurden für längere Zeit ohne ihre Eltern in Kurheime geschickt, um dort eine vermeintliche Genesung zu erfahren. Zum Teil fühlten sich die betroffenen Kinder jedoch eher zurückgelassen statt umsorgt.
Selbst als jemand, der von dieser Praxis betroffen war, möchte Iris F. den Dialog fördern. „Als Verschickungskind habe ich schon früh Erfahrungen gemacht, auf die ich gerne verzichtet hätte“, erzählt sie. Diese Äußerung macht verständlich, dass die emotionalen Narben des Vergangenen bis heute spürbar sind. Meyer, Jahrgang 1967, hat vor allem die Erinnerungen an den Zeitpunkt, als sie am 20. Februar 1975 in Viersen auf den Zug ins Allgäu wartete, klar vor Augen. „Die grünen Krankenkassen-Rucksäcke und das Gefühl, ins Ungewisse geschickt zu werden, sind fest in meinem Gedächtnis verankert“, beschreibt sie. Innerhalb ihrer Initiative sucht sie nun Zeitzeugen, die ebenfalls an diesem Tag am Bahnsteig standen.
Das Streben nach Heilung und Austausch
Das Schweigen zu brechen und die Einsamkeit zu überwinden, lautet das Motto von Iris F. „In der Vergangenheit wollte viele nicht hören, was wir erlebt haben, und es wurde viel weggeschaut“, sagt sie und verweist damit auf die gesellschaftliche Stigmatisierung des Themas. Ihre Initiative bietet nun einen geschützten Raum, in dem sich ehemalige Verschickungskinder austauschen und über ihre Ängste, Sorgen und Erfahrungen sprechen können. Diese Treffen können nicht nur emotionale Unterstützung bieten, sondern auch zur Klärung von offenen Fragen über das eigene Trauma beitragen.
Ein erster Termin für solche Gesprächskreise könnte voraussichtlich am 4. November in einem geeigneten Raum in Brüggen stattfinden. Diese Plattform ermöglicht es den Teilnehmern, sich gegenseitig zu stärken, die eigene Geschichte besser zu verstehen und gemeinsam Lösungen für die Aufarbeitung ihrer Vergangenheiten zu finden. Durch den Austausch erleben viele einen bereichernden Moment des Verstehens und der Gemeinschaft, was zur Heilung beitragen kann.
„Jeder soll die Unterstützung erhalten, die ihm am besten hilft“, betont Iris F. Sie bietet verschiedene Kontaktmöglichkeiten an, seien es persönliche Treffen, Telefonate oder Einzelgespräche. Dabei ist es ihr wichtig, dass jeder den Weg findet, der für ihn am passendsten ist.
Wer sich von dieser Initiative angesprochen fühlt, kann sich direkt an Iris F. unter der E-Mail iris.kinderverschickung@posteo.de wenden. Auch die BIS Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Kreis Viersen steht Interessierten für Fragen und Informationen zur Verfügung. Zudem werden detaillierte Einblicke zur Geschichte der Kinderverschickungen auf der Webseite kinderverschickungen-nrw.de bereitgestellt.
Die Bemühungen von Iris F. verdeutlichen, wie wichtig es ist, die eigene Vergangenheit zu erkunden und gleichgesinnte Unterstützer zu finden. Letztendlich zeigt diese Initiative nicht nur den Mut, sich mit emotionalen Wunden auseinanderzusetzen, sondern auch die Hoffnung, dass durch das Teilen von Erinnerungen neue Perspektiven und Wege zur Heilung gefunden werden können. In der heutigen Zeit, in der Offenheit und Dialog hoch geschätzt werden, könnte dieser Austausch eine positive Wende für viele Betroffene bedeuten, die unter den Schatten ihrer Vergangenheit leiden.