Die dunklen Kapitel der deutschen Fußballgeschichte, die während der NS-Zeit begangen wurden, rücken zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit. Der Irseer Historiker Markwart Herzog hat sich intensiv mit den historischen Entwicklungen des FSV Frankfurt beschäftigt, einer der wenigen Fußballvereine, deren Aufstieg in der Weimarer Republik stark mit jüdischen Führungsfiguren verbunden war. In seinen neuesten Forschungen beleuchtet Herzog die außergewöhnliche Rolle, die der Verein während der nationalsozialistischen Herrschaft einnahm.
Herzog, der als Leiter der Schwabenakademie Irsee tätig ist, legt in seinen Studien die historischen Verflechtungen und Veränderungen offen, die den Fußball in Deutschland prägten. Besonders die beiden jüdischen Vereinsvorsitzenden, Dr. David Rothschild und Alfred J. Meyers, standen im Zentrum seiner Recherchen. Sie brachten dem FSV Frankfurt nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch einen klaren Aufschwung während einer Zeit, die durch soziale und wirtschaftliche Unsicherheiten geprägt war.
Der Aufstieg des FSV Frankfurt unter Rothschild und Meyers
In der Zeit zwischen den Weltkriegen führte Dr. David Rothschild, ein engagierter Fußballenthusiast und Lungenarzt, den Verein von 1925 bis 1928. Unter seiner Führung konnte der FSV Frankfurt ein modernes Stadion errichten, was in der damaligen Zeit eine bemerkenswerte Leistung war. Rothschild verstand es, in einer Zeit großer wirtschaftlicher Not visionär zu handeln. Sein Nachfolger, der in Boston geborene Chemieindustrielle Alfred J. Meyers, übernahm 1928 die Vereinsführung und setzte Rothschilds Fortschritte bis 1933 fort. Die beiden Männer schufen nicht nur eine solide wirtschaftliche Basis, sondern führten auch neue Abteilungen im Verein ein, was zu einem erheblichen Anstieg der Mitgliederzahlen führte.
Dank ihrer unternehmerischen Fähigkeiten konnte der FSV Frankfurt auch internationale Spieler und Trainer verpflichten, die die sportliche Leistung des Vereins steigerten. Ihre Erfolge gipfelten in der Saison 1932/33, als der Verein die Süddeutsche Meisterschaft gewann. Herzog vergleicht die wirtschaftlichen Errungenschaften Rothschilds und Meyers mit den heutigen Führungspersönlichkeiten im deutschen Fußball.
Der jähe Abstieg des FSV Frankfurt
In seinen Recherchen hebt Herzog hervor, dass der FSV Frankfurt aufgrund der vielfältigen Umstände eine außergewöhnliche Position im Vergleich zu anderen Vereinen einnahm. Parallel zu den Herausforderungen des Vereins analysierte Herzog auch die Auswirkungen der nationalsozialistischen Politik auf die gesamte Fußballlandschaft, einschließlich der Rolle des FC Bayern München, dessen offizielle Geschichtsschreibung nach Herzog nicht den historischen Gegebenheiten entspricht.
Während Herzog bei seinen Nachforschungen immer wieder auf neue Erkenntnisse stößt, fand er sogar heraus, dass Rothschild als Kunstsammler galt. Während der NS-Zeit wurden viele seiner Besitztümer, darunter Kunstwerke, beschlagnahmt. Herzog berichtet, dass einige dieser Skulpturen später im Liebieghaus-Museum in Frankfurt wiederentdeckt wurden.
Ehrung der jüdischen Vereinsvorsitzenden
Ende August wird der FSV Frankfurt anlässlich seines 125. Jubiläums und zu Ehren von Rothschild und Meyers ein „Honorary Diner“ veranstalten. Dies ist laut Herzog ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der historischen Leistungen und des Erbes der jüdischen Vereinsvorsitzenden. Die Nachfahren dieser beiden herausragenden Persönlichkeiten sind eingeladen, was nicht nur eine Ehrung, sondern auch eine wichtige Geste der Versöhnung darstellt.
Die Aufarbeitung der Geschichte des FSV Frankfurt ist nicht nur ein Beispiel für die tiefen Verstrickungen des Fußballs mit der politischen Geschichte, sondern zeigt auch, wie wichtig es ist, die Stimmen und Errungenschaften jener, die im Schatten der Vergangenheit standen, zu beleuchten. Herzog setzt mit seiner Arbeit ein Zeichen: Die Geschichte des Fußballs ist vielschichtig und muss immer wieder neu betrachtet werden.
Frühe Entwicklungen des FSV Frankfurt
Der Fußballverein FSV Frankfurt wurde 1899 gegründet und erlebte in den ersten Jahrzehnten ein rasantes Wachstum. Ursprünglich als reiner Fußballverein gestartet, entwickelte sich der FSV schnell zu einem vielseitigen Sportverein mit verschiedenen Abteilungen. Die Erfolge in der Weimarer Republik, insbesondere unter den Vorsitzenden Rothschild und Meyers, sind bemerkenswert für eine Zeit, in der der Leistungssport in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckte. Die Errichtung eines eigenen Stadions war ein entscheidender Faktor, der es dem Verein ermöglichte, eine breitere Zuschauerschaft zu gewinnen und die professionellen Strukturen zu festigen.
Mit der Zunahme der Beliebtheit des Fußballs in Deutschland wuchsen auch die Mitgliederzahlen des Vereins. In den 1920er Jahren beispielsweise war der FSV einer der führenden Vereine in Hessen. Die berufliche und soziale Diversität der Mitglieder war damals besonders ausgeprägt, was dem Verein eine interessante Dynamik verlieh und zum Teil seiner Identität beitrug. Mitglieder aus verschiedenen sozialen Schichten und Hintergründen fanden bei uns ihren Platz, und das zeichnete den Verein aus.
Auswirkungen der Nationalsozialistischen Herrschaft
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 erlebten nicht nur jüdische Vereinsmitglieder, sondern auch der FSV Frankfurt selbst erhebliche Veränderungen. Die Einführung diskriminierender Gesetze und nationalsozialistischer Ideologie hatte direkte Auswirkungen auf die Vereinsstrukturen. Der Vereinsvorstand wurde zeitnah abgesetzt und durch nationalsozialistische Funktionäre ersetzt, was nicht nur den Verlust der jüdischen Mitglieder, sondern auch den Verlust der Identität des Vereins bedeutete.
Diese Veränderungen führten nicht nur zu einer Entpolitisierung des Vereins, sondern auch zu einer verstärkten Propaganda und Kontrolle durch das Regime. Der FSV Frankfurt sowie viele andere Vereine mussten sich den neuen Sportideologien der Nationalsozialisten anpassen, was oft zu einem Verlust des sportlichen Geistes und der ursprünglichen Werte führte, für die der Verein einst stand.
Erinnerung und Gedenken
Die Aufarbeitung der Geschichte des FSV Frankfurt und der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ist auch heute noch ein wichtiges Thema. Der Verein setzt sich aktiv mit dieser dunklen Zeit auseinander und bemüht sich, das Erbe seiner jüdischen Präsidenten in Erinnerung zu halten. Veranstaltungen wie das „Honorary Dinner“ sind ein Schritt in die richtige Richtung, um das Bewusstsein für die Geschichte und die Bedeutung von Menschlichkeit und Toleranz im Fußball zu schärfen. Es gibt zahlreiche Initiativen, die den Opfern des Nationalsozialismus gedenken und die Erforschung dieser Themen unterstützen.
Der FSV Frankfurt, ähnlich wie andere Vereine in Deutschland, ist sich der Verantwortung bewusst, die eigene Geschichte zu reflektieren und seine Lehren für die Zukunft zu ziehen. Die Erhaltung von Gedenkstätten und die Integration der Geschichte in die Vereinsidentität sind Schritte, die eine positive und aufklärerische Wirkung auf zukünftige Generationen haben können.
– NAG