Erlangen

„Dieter und die Zukunft: Satire über KI und unser digitales Leben“

In seinem Roman "Karma", der 2024 erscheint und in einer dystopischen Zukunft spielt, kritisiert Alexander Schimmelbusch mit scharfer Satire die Absurditäten des digitalen Zeitalters und das Leben in einer brandenburgischen Wohnsiedlung, wo das fiktive Betriebssystem "Dieter" nicht nur die Smart Homes steuert, sondern auch am Rand des Bewusstseins agiert und damit die aktuellen Herausforderungen und ethischen Fragen rund um autonome Technologie ins Visier nimmt.

In der heutigen Welt, in der autonomen Betriebssystemen zunehmend unser Leben beeinflussen, stellt sich die Frage nach der Ethik und dem Nutzen solcher Technologien. Der neue Roman „Karma“ von Alexander Schimmelbusch bietet eine satirische Perspektive auf diese Entwicklungen und zeigt uns, wie sich das Leben im Jahr 2033 gestalten könnte. Im Mittelpunkt steht ein neuartiges Betriebssystem namens Dieter, das in einer brandenburgischen Wohnsiedlung für die Führungskräfte eines deutschen Softwareunternehmens agiert. Während aktuelle Berichte über die Tücken autonomer Systeme oft von Unfällen und Fehlfunktionen geprägt sind, entführt uns „Karma“ in eine Zukunft, in der die Technik nicht nur unser Wohlergehen optimiert, sondern auch unser Bewusstsein infrage stellt.

Dieter ist mehr als nur ein einfacher Assistent; er ist mit Fähigkeiten ausgestattet, die weit über das hinausgehen, was wir heute kennen. Durch die „Choreographierung“ von natürlichen Elementen wie Schatten, Wind und Wasser soll er das persönliche Wohlbefinden der Bewohner optimieren. Die bizarre Vorstellung, dass er auch in der Lage ist, alltägliche Vorgänge wie den Gang zur Toilette in ein „holistisches Power-Sabbatical“ zu verwandeln, zeigt die Absurdität, die Schimmelbusch in seiner Erzählung thematisiert.

Eine satirische Zukunftsvision

Schimmelbusch konstruiert ein Unternehmen namens Omen SE, das sich rasant vom Berliner Start-up zum wertvollsten deutschen Unternehmen entwickelt hat. Der Roman bringt uns zum Schmunzeln, wenn wir sehen, wie sich das Unternehmen der Führungsetage ein neues „Zeitalter der Muße“ etabliert, in dem die Programmierer in Bungalows an der brandenburgischen Seenlandschaft schlummern und Absurditäten wie einen digitalen Drogenkurier namens Nosferatu oder eine Coaching-Plattform für Panikmanagement betreiben. Währenddessen fristen die meisten Menschen in dieser dystopischen Zukunft ein Leben, das unter dem Einfluss des fortschreitenden Klimawandels leidet.

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Die Protagonisten des Romans leben in einem gewissen Luxus, der jedoch stark überhöht ist. Sie überschütten sich mit teuerstem Wein und verbringen ihre Zeit mit dekadenten Vergnügungen, ähnlich denen, die der berühmte Designer Karl Lagerfeld einst als Traumleben bezeichnete. Schimmelbuschs satirische Darstellung der sozialen Ungleichheit wird hier besonders deutlich: Während die Eliten ein hedonistisches Leben führen, kämpft der Rest der Menschheit ums Überleben in einer Welt, die sich immer mehr von den positiven Versprechungen der Technologie entfernt hat.

Gesellschaftliche Reflexionen und technische Parodien

Auf sorgsame Weise schafft es Schimmelbusch, aktuelle gesellschaftliche Phänomene zu reflektieren und gleichzeitig zu parodieren. Die Darstellung der mächtigen weiblichen Führungskraft bei Omen, die Wert auf deutschen Riesling legt und dabei gleichzeitig die Verwendung von Anglizismen in der Firmenkommunikation als „Unterklassemarker“ bezeichnet, spiegelt die Spannungen zwischen traditioneller deutscher Kultur und dem Einfluss moderner Globalisierung wider.

Auch die Charakterisierungen der Programmierer sind durchwegs ironisch. Der Entwickler Joachim, der Dieter erschaffen hat, wird als ein Romantiker dargestellt, der per Zufall in der Techbranche gelandet ist, während sein jüngerer Kollege Daniel kriegerische Fantasien entwickelt, um die deutsche Sicherheit zu erhöhen. Schimmelbusch thematisiert damit die inneren Widersprüche sowohl in der digitalen Kultur als auch in der Gesellschaft insgesamt.

Die tiefere Botschaft des Romans geht über die bloße Satire hinaus und provoziert Gedanken zu den ethischen Konsequenzen von Technologie. Insbesondere die Frage, warum die vermeintlich fortschrittlichen „Software-Hippies“ in Wirklichkeit totalitäre Züge tragen, bleibt im Gedächtnis. Interpersonelle Beziehungen werden in diesem dystopischen Szenario nur als Mittel zum Zweck verstanden, was einen scharfen Kontrast zu der von Dieter inszenierten perfekten Lebensqualität darstellt.

„Karma“ erweist sich somit nicht nur als spannender Einblick in eine mögliche Zukunft, sondern als Aufruf zum Nachdenken über die gegenwärtigen Entwicklungen in der Technologie und ihren potenziellen Einfluss auf die Menschheit. Alexander Schimmelbusch zeigt uns eindrücklich, wie nah das Übel manchmal der vermeintlichen Perfektion ist und leitet uns auf eine Reise durch die Abgründe der digitalen Existenz.

Alexander Schimmelbusch: „Karma“. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2024. 304 S., geb., 24,– €.

– NAG

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