Religiöser Extremismus kann viele Facetten annehmen und umfasst nicht nur die weit bekanntesten islamischen Strömungen. Auch im Christentum gibt es Formen des Extremismus, die in westlichen Gesellschaften oft übersehen werden. Der christliche Fundamentalismus, eine Denkweise, die sich durch einen strikten Glauben an biblische Wahrheiten auszeichnet, hat die Tendenz, gesellschaftliche Normen und politische Entscheidungen zu beeinflussen und dabei oft eine konträre Haltung zu modernen Ideen einzunehmen.
Der Einfluss in der Gesellschaft
In den letzten Jahren ist ein Anstieg von Mitgliedszahlen in evangelikalen Gruppen festzustellen, obwohl in vielen Kirchen der Mitgliederschwund der Normalfall ist. Dies zeigt, dass rigorose Glaubensüberzeugungen, die mit einem antimodernen Ansatz einhergehen, einen besonderen Anziehungspunkt darstellen. Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) wird als Beispiel herangezogen, die 200.000 Mitglieder versammelt und somit einen beträchtlichen Einfluss im religiösen Spektrum der Schweiz hat.
Duale Weltanschauung und Antimodernismus
Ein zentrales Merkmal des christlichen Fundamentalismus ist die Überzeugung, dass es unumstößliche Wahrheiten gibt, an denen festgehalten werden muss. Diese Sichtweise gepaart mit einem Antimodernismus führt zu einem Dualismus, der die Welt in „gut“ und „böse“ unterteilt. Der Fundamentalismus lehnt oft wissenschaftliche Erkenntnisse ab, was in den USA zu einem Überhandnehmen von Lehren wie dem Intelligent Design und dem Kreationismus geführt hat.
Befürwortung von strengen Glaubensansichten
In Bezug auf soziale Themen wie Sterbehilfe oder sexuelle und reproduktive Rechte vertreten christliche Fundamentalisten häufig sehr rigide Positionen. Diese werden nicht nur im kirchlichen Rahmen verbreitet, sondern auch in der politischen Arena, wo Vertreter extrem religiöser Überzeugungen versuchen, ihre Ideale durchzusetzen. In vielen europäischen Ländern finden sich politische Parteien, die solche extremen Ansichten unterstützen.
Schweiz im internationalen Kontext
Obwohl extreme Formen des christlichen Fundamentalismus in der deutschsprachigen Schweiz nicht so stark verbreitet sind, zeigt ein Blick nach Polen oder in die USA, wie sehr diese Ideologien in politischen Prozessen verankert sein können. Die polnische PiS-Partei ist ein Beispiel für eine politische Gruppierung, die eng mit solchen fundamentalen Ansichten verbunden ist und deren Programm sich auf religiöse Überzeugungen stützt.
Förderung von Konversionstherapien
Ein besonders umstrittenes Thema sind die sogenannten Konversionstherapien, die darauf abzielen,
„wegzutherapieren“. Verschiedene Länder, u.a. Deutschland und Frankreich, haben mittlerweile solche Praktiken gesetzlich untersagt, wohingegen in der Schweiz ein solches Verbot kürzlich fallengelassen wurde. Dies kann als Rückschritt für die Rechte von LGBTQ+-Personen interpretiert werden, was in einer zunehmend weltoffenen Gesellschaft besorgniserregend ist.Fazit: Ein wachsendes Problem
Trotz der Diskrepanzen zwischen den steigendenden Mitgliedszahlen in evangelikalen Vereinigungen und der allgemeinen Kirchenaustritte gibt es berechtigte Sorgen über den Einfluss des christlichen Fundamentalismus auf die Gesellschaft. Die Tendenz, sich gegen moderne Werte zu positionieren und gesellschaftliche Normen nicht nur zu hinterfragen, sondern sie aktiv zu bekämpfen, ist alarmierend. Dies könnte langfristig die gesellschaftliche Kohäsion und die Gleichheit beeinträchtigen.
– NAG