In der Volkshochschule Erding fand eine aufschlussreiche Diskussion über die aktuelle politische Lage in Deutschland statt. Die Veranstaltung, organisiert von Bernhard Winter, zog ein volles Haus an und stellte die Frage: „Brauchen wir Parteien?“. Roman Deininger, Chefreporter der Süddeutschen Zeitung, und Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, beantworteten diese provokante Frage klar mit „Ja“. Der Oberbürgermeister Max Gotz eröffnete die Diskussion und sprach über den sozialen Frieden in der Stadt, während er die Zunahme an Parteien im Erdinger Stadtrat thematisierte und eine „schwierige Entscheidungsbildung“ anmerkte.
Die Diskutanten warfen einen Blick auf die Fragmentierung der politischen Landschaft und bemerkten, dass laut Münch nur 1,6 Prozent der Deutschen Mitglied in einer Partei sind. Zuwächse verzeichnen lediglich die AfD und die Grünen. Münch argumentierte, dass die Parteien eine Krisenstimmung durchleben, in der sie insgesamt als „nicht leistungsfähig genug“ wahrgenommen werden. Sie knüpfte dies an die sinkende Relevanz traditioneller Medien und die Flut an ungefilterten Informationen in sozialen Netzwerken. Der Münch zufolge ist dies eng verknüpft mit der geringen Akzeptanz für abweichende Meinungen.
Die Rolle von AfD und Grünen
Deininger führte an, dass die AfD in der Öffentlichkeit als „Partei der Bewahrung“ gilt und Menschen anspricht, die eine Rückkehr zu früheren Zuständen bevorzugen. Im Gegensatz dazu sehen die Grünen ihre Chance als „Partei des Wandels“ und richten sich an weltoffene Wähler. Über die CSU bemerkte Deininger, dass sie sich in der breiten Themenlandschaft ihrer Volkspartei schwer tut: „Markus Söder muss im Bierzelt als Volkstribun auftreten und gleichzeitig den Kosmopoliten als Realpolitiker begegnen.“ Diese Dualität spiegelt die Herausforderungen wider, mit denen große Parteien heutzutage konfrontiert sind.
Die Podiumsgäste waren sich einig, dass Parteien dringend den Nutzen ihrer Mitgliedschaft hervorheben müssen. Münch wies zudem auf die problematische Tendenz hin, dass eine Partei zu stark auf eine charismatische Persönlichkeit fokussiert. Sie gab das Beispiel der ÖVP in Österreich an, deren Rückgang sie direkt auf den Abgang von Sebastian Kurz zurückführte. Deininger ergänzte, dass interne Vorverhandlungen innerhalb großer Parteien viele Konflikte im Keim ersticken würden, was er als positiven Aspekt hervorhob, der die Notwendigkeit von Kompromissen verdeutlicht.
Kritik an der Oppositionsarbeit
Ein wichtiger Punkt war die Kritik an der gegenwärtigen Opposition, die Münch und Deininger als destruktiv empfanden. Die Gefahr eines extremen Ladepegs der politischen Diskussion wurde ebenfalls thematisiert. Deininger sagte: „Es ist keine gute Idee, eine Mitte-Partei zu diffamieren, ohne die Verantwortung zu berücksichtigen, die alle Beteiligten haben.“ Die Diskussionsrunde wurde auch durch eine Frage aus dem Publikum ergänzt: Ist ein Verbot der AfD notwendig? Deininger war skeptisch, solange die Partei so stark ist, während Münch über die Kriterien für ein Parteiverbot nachdachte.
„Nur wenn eine Partei aktiv gegen die demokratische Grundordnung vorgeht, könnte ein Verbot in Erwägung gezogen werden“, so ihre Antwort. Beide Diskussionsteilnehmer waren sich auch einig, dass mehr Bürgerbeteiligung in der gegenwärtigen Form nicht zielführend wäre. Mühevoller fanden sie es, den Wert von Bürgerentscheiden für komplexe Fragen wie Infrastrukturprojekte wie Stuttgart 21 zu erkennen, wo letztendlich ein knapper Mehrheitsentscheid für den Weiterbau sorgte.
„Es war nicht die letzte Sonntagsbegegnung in Erding“, versprach der Organisator der Diskussionsreihe, Bernhard Winter, der bereits ein neues Treffen mit Gerhard Polt und Bruno Jonas in Aussicht stellte.
Details zur Meldung