Am Donnerstag, den 29. August 2024, werden die Mitglieder der bayerischen Hip-Hop-Band Dicht und ergreifend im Landgericht Landshut erwartet. Der Grund für diesen Termin: Ein Rechtsstreit über die öffentliche Äußerung der Band, die im Rahmen eines Musikfestivals am 8. Juli 2024 in Dingolfing gefallen sind. Gerichtsmitteilung zufolge hat der Schlossbesitzer von Tunzenberg, Franz Ammer, eine einstweilige Verfügung beantragt, um die Verbreitung dieser Äußerungen zu stoppen.
Das Musikfestival, bekannt als „Dingfest“, war nicht nur ein Ort für Klänge und gute Stimmung, sondern auch der Schauplatz eines hitzigen Protests gegen die aktuellen Veränderungen in der Kulturszene. Die Band hat auf der Bühne scharfe Kritik am neuen Eigentümer des Schlosses geübt. Sie warfen ihm vor, die Kulturszene zu vernichten und den langjährigen Kulturverein „Kulturbrauerei Tunzenberg“, der seit rund zehn Jahren auf dem Gelände aktiv ist, zu vertreiben.
Die Wurzeln des Konflikts
Die Auseinandersetzung hat ihren Ursprung in den Sanierungsplänen des neuen Eigentümers Franz Ammer. Nachdem er im Frühjahr das raffinierte Anwesen erworben hat, plant er, Teile des Gebäudes abzureißen und angeblich neu zu gestalten. Anstelle des bisherigen Kulturzentrums sollen künftig Räume für Bands und einen Töpferraum entstehen. Dicht und ergreifend haben jedoch Bedenken geäußert, dass diese Maßnahmen nicht den wahren kulturellen Bedürfnissen der Gemeinschaft entsprechen. In ihren Augen mutiert das Schloss zu einem „Prestigeobjekt“, anstatt ein Ort für kreative Entfaltung zu sein.
Ihre Forderung ist klar: Die Kultur soll lebendig und von der Gemeinschaft selbst geprägt sein. Sie wollen einen Raum, der nicht von fixen Öffnungszeiten und wirtschaftlichem Druck geprägt ist, sondern Platz für Kreativität und Freiheit bietet. Dieser Gedanke wird in einer öffentlichen Erklärung deutlich, in der die Band betont, dass sie sich für einen Ort stark macht, der den Menschen dient.
Der Eigentümer hat mit seinem Antrag auf Unterlassung dagegen reagiert, da die Aussagen der Band sowohl beim Festival als auch in einem auf YouTube veröffentlichten Video als schädlich für seinen Ruf erachtet werden. Er möchte erreichen, dass die Inhalte entfernt werden, was der Band jedoch nicht leicht gefallen ist. Diese sieht sich als Sprachrohr für die Gemeinschaft und hat daher einen Spendenaufruf gestartet, um die wichtigen juristischen Schritte zu unterstützen.
Reaktionen und Mobilisierung
Inmitten des Rechtsstreits versuchen Dicht und ergreifend, ihre Fans aktiv zu mobilisieren. Auf der Plattform betterplace.me haben sie einen Spendenaufruf ins Leben gerufen, mit dem Ziel, 100.000 Euro zu sammeln. Dieses Geld soll genutzt werden, um die Anwalts- und Gerichtskosten zu decken, oder alternativ in voller Höhe dem Kulturverein zugutekommen. Das Anliegen wird in der Bandmitteilung mit den Worten beschrieben: „Wir wollen uns gegen den kapitalistischen Kulturfraß zur Wehr setzen.“
Die Verhandlung am Landgericht wird nicht nur für die Band, sondern auch für deren Fans zu einem wichtigen Ereignis. Dicht und ergreifend haben angekündigt, dass die Anhörung öffentlich ist, aber nur begrenzte Plätze zur Verfügung stehen. Der Zugang wird für alle Interessierten gewährt, und im Anschluss an die Verhandlung wird eine Autogrammstunde im „Bavarian Caps Store“ in der Altstadt organisiert, um den Tag mit einem kühlen Bier ausklingen zu lassen.
Ein Rechtsstreit dieser Art ist für die künstlerische Gemeinschaft in Bayern von erheblichem Interesse. Die Auseinandersetzung bietet nicht nur einen Einblick in die Herausforderungen, die Kulturveranstalter heutzutage zu bewältigen haben, sondern zeigt auch, wie wichtig es ist, dass Künstler und die Gemeinschaft ihre Stimme erheben und für ihre Werte eintreten.
Ein Blick auf die Kultur und ihre Zukunft
Die Ereignisse rund um Schloss Tunzenberg werfen ein Licht auf die größeren Fragen zur Kulturpolitik in der Region. Wie können kommunale Einrichtungen und Kulturvereine unterstützt werden, um den künstlerischen Ausdruck zu fördern, ohne den kommerziellen Druck zu unterliegen? Die rechtlichen Schritte, die nun im Raum stehen, könnten nicht nur das Schicksal des Kulturvereins bestimmen, sondern auch wegweisend für vergleichbare Fälle in der Zukunft sein.
Der Konflikt zwischen dem neuen Eigentümer von Schloss Tunzenberg und der bayerischen Hip-Hop-Band Dicht und ergreifend verdeutlicht, wie wahrnehmbar kulturelle Veränderungen in der Gemeinschaft sind. Bei der Übernahme von kulturhistorisch bedeutsamen Orten stehen häufig wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund, die aber im Widerspruch zu den Bedürfnissen lokaler kultureller Akteure stehen können. Eine solche Dynamik ist ein zentrales Merkmal urbaner Entwicklung und kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.
Die Auseinandersetzung spiegelt eine breitere Diskussion über den Erhalt kultureller Orte wider, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo Kunst- und Kulturschaffende oft auf die Unterstützung durch solche Räume angewiesen sind. Der Konflikt um Schloss Tunzenberg ist kein Einzelfall; ähnliche Situationen gab es auch anderswo in Deutschland, beispielsweise bei der Schließung oder Umnutzung von ehemaligen kulturellen Treffpunkten wie dem „Weberei“ in Bochum oder den Konflikten um das „Kulturhaus“ in Frankfurt am Main.
Die kulturelle Bedeutung von Gemeinschaftsräumen
Schloss Tunzenberg hat eine lange Geschichte als kultureller Treffpunkt, wo nicht nur Konzerte, sondern auch Workshops und andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Diese Orte sind unverzichtbar für die soziale Interaktion und die kreative Entfaltung der Gemeinschaft. Der Kulturverein „Kulturbrauerei Tunzenberg“ hat es geschafft, eine Plattform zu bieten, die das lokale Kunstschaffen fördert und eine integrative Gemeinschaft schafft. Der neue Eigentümer hingegen plant eine Sanierung, die viele der bisherigen kulturellen Nutzer ausschließt und damit die bestehende Gemeinschaft gefährdet.
Eine Umfrage des Deutschen Kulturrates zeigte, dass über 70 % der Befragten der Meinung sind, dass kulturelle Gemeinschaftsräume wichtig für die Identität und den Zusammenhalt in Städten und Regionen sind. Der Verlust von solchen Räumen könnte nicht nur das künstlerische Schaffen beeinträchtigen, sondern auch die soziale Struktur einer Gemeinde untergraben.
Rechtliche Perspektiven in Konflikten um kulturelle Räume
Die rechtlichen Rahmenbedingungen spielen eine entscheidende Rolle in derartigen Konflikten. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert in Artikel 5 die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, ihrer Lehre und des Studiums. In vielen Fällen sind städtische kulturelle Einrichtungen, die von Vereinen oder Kollektiven betrieben werden, auf Fördermittel und die Zusammenarbeit mit privaten Eigentümern angewiesen. Bei Konflikten wie dem über Schloss Tunzenberg kann das rechtliche Gerüst aus Mietvertragsrecht, Urheberrecht und den Bestimmungen über die Nutzung von Kulturstätten kompliziert und zeitaufwendig werden.
Das Gericht wird in der kommenden Verhandlung auch einschätzen, inwiefern die Äußerungen der Band durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt sind. Diese Aspekte machen deutlich, wie sehr rechtliche Auseinandersetzungen oft auch soziale Spannungen und eine radikale Neujustierung der kulturellen Landschaft hervorrufen können.
Quellen: Deutscher Kulturrat
– NAG