Im laufenden Prozess über einen versehentlichen Schuss eines Polizisten bei einem Bundesliga-Spiel in Augsburg gab der angeklagte Beamte an, er habe eine monumentale Erinnerungslücke, die nur wenige Sekunden gedauert habe. Dies geschah im August des letzten Jahres, kurz vor einem Fußballspiel, als eine harmlose Wasserschlacht zwischen Polizei-Kollegen in eine ernsthafte Situation umschlug. Der 28-Jährige trat heute vor das Landgericht Augsburg und schilderte die Ereignisse aus seiner Sicht.
Der Polizist erklärte, dass er zusammen mit einem Kollegen beim Spielen mit Wasserpistolen angegriffen worden sei. Um sich zu revanchieren, haben sie eigenständig eine Wasserbombe aus einem Gummihandschuh und eine Wasserpistole benutzt. Er bezeichnete die gesamte Aktion als „reinen Spaß“ und betonte, dass kein böswilliger Hintergedanke hinter den Aktivitäten steckte.
Der kritische Vorfall
Die Idee, eine kleine Spaßaktion zu veranstalten, mündete in einen gefährlichen Vorfall. Laut der Staatsanwaltschaft fiel ein Schuss, der knapp den Kopf eines der Polizisten im betroffenen Fahrzeug verfehlte und durch eine Fahrzeugscheibe drang. Die Aufregung löste bei den Beamten Knalltraumata aus; einer der Polizisten erlitt sogar ein Schusstrauma und einen Schock. Zusätzliche Komplikationen entstanden, als auch ein Fanbus von Borussia Mönchengladbach, der sich hinter dem Polizeiwagen befand, getroffen wurde.
Als der Beamte beschrieb, was in den Sekunden zuvor geschah, wurde deutlich, dass er sich an sehr wenig erinnerte. Sein einziger klarer Gedanke zu diesem Zeitpunkt war: „Scheiße, Beschuss!“. Dieser Schockmoment, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall, führte dazu, dass er realisierte, die Dienstwaffe in seiner Hand zu haben, allerdings nicht, dass er einen Schuss abgegeben hatte. „Ich hab gar nichts gedacht, weil ich nicht mal gewahr wurde, dass ich gerade die Waffe in der Hand hatte“, so der Angeklagte.
Reaktionen und rechtliche Folgen
Der Polizist äußerte, dass er die Situation als Reflexreaktion interpretiere, die durch die intensiven Schusstrainings während seiner Ausbildung ausgelöst worden sei. „Das war unprofessionell, ein derartiges Wasserspiel im Einsatzgeschehen mit scharfer Ausrüstung“, sagte er und zeigte sich reuig über die gesamten Umstände.
Der Vorsitzende Richter Christoph Kern stellte jedoch die Glaubwürdigkeit des 28-Jährigen in Frage. Er äußerte Zweifel daran, dass sich die Erinnerung des Angeklagten einfach so für zweieinhalb Sekunden ausblenden konnte. Damit drängte er darauf, dass klarere Erklärungen nötig sind, um die Ereignisse besser zu verstehen. Im Laufe des Verfahrens wurden bereits zwei Verhandlungstermine wahrgenommen, und ein dritter folgte, eventuell aber auch eine vierte Sitzung unter Vorbehalt.
Die entscheidende Frage, die im Raum steht, ist, wann und wie das Gericht zu einem Urteil kommen wird. Es könnten sowohl der 22. August als auch der 5. September mögliche Urteilstermine sein, was den Verfahrensverlauf weiter spannend macht.
Ein Vorfall mit weitreichenden Folgen
Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Konsequenzen sich aus diesem Vorfall ergeben werden, sowohl für den angeklagten Polizisten als auch für die Polizeiarbeit in Deutschland im Allgemeinen. Solche Vorfälle stellen nicht nur Fragen nach der Verantwortung im Umgang mit Dienstwaffen, sondern auch nach dem professionellen Verhalten in möglicherweise harmlosen Situationen. Die Diskussion über Sicherheit und Professionalität wird sicherlich weitergeführt werden müssen, um solche Ereignisse in Zukunft zu vermeiden.
Rechtslage und Verantwortlichkeit
Der Vorfall wirft grundlegende Fragen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen auf, unter denen Polizeibeamte im Dienst agieren. In Deutschland unterliegt der Einsatz von Dienstwaffen strengen Vorschriften, die im Waffengesetz (WaffG) und im Polizeirechtsrahmen der jeweiligen Bundesländer geregelt sind. Demnach dürfen Polizeibeamte ihre Dienstwaffe nur in Gefahrensituationen oder zur Abwehr eines konkreten Angriffs einsetzen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Situation, die zur Schussabgabe führte, tatsächlich eine solche Gefährdung darstellte oder ob es sich um einen unzulässigen Einsatz der Waffe handelte.
Das Gerichtsverfahren wird sich auch mit der Frage beschäftigen, wie der 28-Jährige seine Waffe im Rahmen seiner dienstlichen Pflichten und Aufgaben handhabte. Polizeibehörden sind verpflichtet, kontinuierliche Schulungen und Trainings zur Waffenhandhabung anzubieten, um sicherzustellen, dass Beamte in kritischen Situationen richtig reagieren können, ohne überzogene Gewalt anzuwenden.
Risiko von Gewaltausbrüchen im Polizeidienst
Dieser Vorfall erhebt zudem das Thema der Gewalt und des Missbrauchs innerhalb der Polizei. Die Thematik ist besonders brisant, da sie sich in einem Kontext abspielt, in dem immer wieder von überzogenen Gewaltsituationen berichtet wird, die Polizisten betreffen. Laut einer Studie der Deutschen Hochschule der Polizei fühlen sich viele Polizeibeamte unter enormem Druck, sowohl von der Gesellschaft als auch von den eigenen Vorgesetzten. Dies kann zu unüberlegtem Handeln führen, wie es im aktuellen Fall zu beobachten ist.
Ein Teilaspekt dieser Problematik ist das sogenannte „Wettkampfverhalten“ unter Polizeibeamten, das in stressigen Situationen zu impulsivem Verhalten führen kann. In einem professionellen Umfeld sollte die Kommunikation und der Austausch unter den Kollegen gefördert werden, um derartige Vorfälle zu vermeiden.
Umgang mit traumatischen Erfahrungen
Die Auswirkungen des Vorfalls betreffen nicht nur den angeklagten Polizisten, sondern auch die Kollegen, die am Geschehen beteiligt waren. Psyche und Trauma sind relevante Themen im Polizeidienst. Viele Polizeibeamte sind über die Jahre hinweg verschiedenen Belastungen und traumatischen Erlebnissen ausgesetzt, sei es durch Einsätze oder Vorfälle wie diesen. Der Umgang mit solchen Erfahrungen ist entscheidend für die mentale Gesundheit der Beamten.
Die Polizei hat daher Programme zur Unterstützung ihrer Mitglieder entwickelt, um mit Stress, PTSD (posttraumatische Belastungsstörung) und anderen mentalen Herausforderungen umzugehen. Diese Programme bieten oft Psychotherapie, Stressbewältigungsstrategien und Schulungen zur emotionalen Intelligenz an, um den Beamten zu helfen, ihre Erfahrungen besser zu verarbeiten und ihre psychische Gesundheit zu fördern.
– NAG