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Zunahme der Gewalt gegen Obdachlose: Wo bleibt unsere Menschlichkeit?

In einer alarmierenden Studie warnt Soziologin Saskia Gränitz vor einem dramatischen Anstieg der Gewalt gegen Obdachlose in Deutschland: Zwischen 2018 und 2023 stieg die Gewaltkriminalität um 36,8 Prozent, während autoritäre Strukturen und soziale Krisen die brutalen Übergriffe begünstigen – eine besorgniserregende Entwicklung, die alle Gesellschaftsmitglieder betrifft!

In Deutschland nimmt die Gewalt gegen Obdachlose alarmierend zu. Das Thema erhält vermehrt Aufmerksamkeit, vor allem durch gewalttätige Vorfälle, die öffentlicher Empörung hervorrufen. So ereignete sich kürzlich in Aschaffenburg ein schwerer Übergriff, bei dem zwei junge Männer einen Obdachlosen über eine halbe Stunde lang brutal attackierten und die Tat sogar filmten. Diese extremen Ausbrüche der Gewalt werfen grundsätzliche Fragen auf: Warum richten Menschen sich gegen die ohnehin verletzlichen Mitglieder der Gesellschaft?

Die Soziologin Saskia Gränitz führt aus, dass solche Gewaltdelikte oft psychologisch betrachtet werden können. „Man könnte diese Gewalt psychoanalytisch als Ergebnis von Projektionen verstehen: Wir sehen in jemandem eine Schwäche, die wir uns selbst nicht erlauben können“, erklärt sie. In ihrer Arbeit zum Thema Obdachlosigkeit verweist sie darauf, dass in autoritären Strukturen oft eine solche Aggressivität zu beobachten sei, weil die Angreifer eine Art der Stärkung ihrer eigenen Identität darin suchen.

Ein Anstieg besorgniserregender Zahlen

Ein Bericht des Bundesinnenministeriums zeigt, dass die Gewaltkriminalität gegen Obdachlose zwischen 2018 und 2023 um über 36 Prozent gestiegen ist. Im vergangenen Jahr wurden 885 Gewaltdelikte gegen diese Randgruppe registriert. Gränitz macht jedoch darauf aufmerksam, dass dies nur die offiziellen Zahlen sind. Viele Betroffene melden Vorfälle häufig nicht aus Angst vor weiteren Übergriffen. Diese Dunkelziffer ist schwer zu schätzen, doch sie unterstreicht die Dringlichkeit des Problems weiter.

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„In sozialen Krisen nimmt die Gewalt zu“, betont Gränitz. Sie sieht Parallelen zu den 1990ern, als es in Deutschland ebenfalls zu einem Anstieg von rassistischer Gewalt kam, insbesondere gegen Obdachlose und Alkoholiker in Ostdeutschland. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie die Hartz-Reformen, hätten zu einer sozialen Verrohung beigetragen, betont sie. Die gegenwärtigen Herausforderungen, sowohl ökonomischer als auch sozialer Natur, führen ihrer Meinung nach dazu, dass solche gewalttätigen Übergriffe vermehrt stattfinden.

Ein weiterer bedenklicher Aspekt ist die Zunahme gewaltsamer Angriffe auf obdachlose Frauen. Die Statistiken zeigen einen Anstieg um 46,2 Prozent in den letzten fünf Jahren, was die Vulnerabilität dieser Gruppe verdeutlicht. Gränitz erklärt, dass dieses Phänomen auch mit der kaum vorhandenen Sichtbarkeit von obdachlosen Frauen in der Gesellschaft zu tun hat. Viele Frauen versuchen, ihre Obdachlosigkeit so zu managen, dass sie nicht im Blickfeld der Behörden stehen, was sie zusätzlich angreifbar macht.

„Die geschichtliche Perspektive hilft zudem, die gegenwärtige Gewalt gegen Obdachlose besser zu verstehen“, fährt Gränitz fort. Sie weist auf die schwierige Geschichte hin, die mit dem Nationalsozialismus verknüpft ist, als unter dem Begriff „Asoziale“ viele Menschen verfolgt wurden. Diese Ideologien und Denkmuster seien weiterhin in den Köpfen der Gesellschaft verankert, was zu einem tiefen Misstrauen gegenüber als schwach geltenden Gruppen führt.

Ursachen und mögliche Lösungen

Die soziale Herkunft und die Abwesenheit stabiler Bezugspersonen spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Gewalt. „Wenn es in der Kindheit an sozialen Bindungen mangelt, kann das zu einer Unfähigkeit führen, mit Emotionen umzugehen“, erklärt Gränitz. In der DDR wuchs eine Generation auf, die oft ohne emotional verfügbare Eltern lebte. Diese fehlende Verbindung kann zu einem Mangel an Empathie und einer verstärkten Neigung zu autoritärem Verhalten führen.

Die Dunkelheit des Elends und der Gewalt, die Obdachlose erleben, verdeutlicht die Notwendigkeit umfassender gesellschaftlicher Lösungen. Ein neuer Umgang mit Obdachlosigkeit könnte darin bestehen, die Krisen der anderen als Teil der eigenen Erfahrungen zu betrachten. Gränitz schlägt vor, dass eine gerechtere Regulierung des Wohnungsmarktes und der gemeinnützige Wohnungsbau eine wesentliche Rolle spielen können, um der Obdachlosigkeit entgegenzuwirken.

„Obdachlosigkeit ist ein gesellschaftliches Problem, das nicht ignoriert werden kann“, schließt Gränitz. „Wenn wir gesellschaftliche Krisen entschärfen können, werden die Menschen weniger unter Druck stehen, auf autoritäre Bewältigungsmuster zurückzugreifen.“ Die Zeit drängt, um ein weiteres Ansteigen von Gewalt gegen die unmittelbar Betroffenen zu verhindern, und um eine aufgeschlossene Diskussion über Hilfe und Unterstützung zu ermöglichen.

Ein umfassender Artikel zu diesen Themen ist auf lomazoma.com zu finden, wo weitere Details und Analysen zum Thema Gewalt gegen Obdachlose zur Verfügung stehen.

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