Auf der Euro Finance Week in Frankfurt brodelte die Stimmung, als die Chefs führender Banken endlich die drängenden Fragen zur Konsolidierung des europäischen Bankenmarktes erörterten. Bettina Orlopp, die neue Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, stellte klar, dass sie zwar nicht gegen eine Fusion sei, jedoch die Eigenständigkeit ihrer Bank betont. Unicredit, die italienische Großbank, hat kürzlich 21 Prozent der Commerzbank-Anteile erworben und plant, diesen Anteil auf bis zu 29,9 Prozent zu erhöhen. Orlopp bezeichnete Unicredit als „strategischen Investor“ und wies darauf hin, dass Fusionen viel Zeit und Ressourcen beanspruchen, die derzeit für andere wichtige Themen benötigt werden.
„Wir sehen im Mittelstand einen enormen Investitions- und auch Beratungsbedarf“, so Orlopp. Die Herausforderungen wie Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie erfordern massive Anstrengungen von deutschen Unternehmen. Hinzu kommt die Deglobalisierung, die den Druck weiter erhöht. Orlopp betonte, dass die Unternehmen Unterstützung benötigen, insbesondere bei der Erfüllung von Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien. Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, forderte einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt, um die Innovationskraft in Europa zu stärken. Er warnte, dass die kommenden Jahre die herausforderndsten seit der Wende sein könnten, und betonte die Notwendigkeit eines Wachstumspakts für Deutschland.
Wachstum und Arbeitskultur im Fokus
Die zentrale Botschaft der Finanzkonferenz war klar: Europa muss sich zusammenraufen. Sewing und andere Bankchefs forderten nicht nur politische Veränderungen, sondern auch ein Umdenken in der Gesellschaft. „Die goldene Dekade ist vorbei“, erklärte Sewing und kritisierte die Vorstellung einer Viertagewoche mit vollem Lohnausgleich als nicht mehr zeitgemäß. Auch DZ-Bank-Chef Cornelius Riese forderte eine neue Leistungsorientierung und mehr Arbeitszeit, um den Wachstumspfad zurückzufinden. „Wir müssen umparken im Kopf“, so Riese, der optimistisch auf die Herausforderungen blickte, die Deutschland in der Vergangenheit gemeistert hat.
Ein weiteres Thema war der Kauf der Privatkundensparte der HSBC Deutschland durch die französische BNP Paribas. Deren Deutschlandchef Lutz Diederichs äußerte, dass solche Portfolioergänzungen besser seien als große Fusionen, was Orlopp aufmerksam verfolgte. Die Finanzwelt steht vor entscheidenden Veränderungen, und die Bankchefs sind bereit, ihre Stimme zu erheben.