Ulm/Berlin – Schwangere Frauen, die krank sind und Medikamente benötigen, stehen oft vor einem Dilemma! Die Beipackzettel der Arzneimittel sind selten eine verlässliche Hilfe, denn die meisten Medikamente sind für werdende Mütter nicht unbedenklich. Ein Blick auf die Packungsbeilage führt häufig zu dem besorgniserregenden Hinweis: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ Das lässt viele Schwangere in Unsicherheit zurück.
Wolfgang Paulus, Leiter der Beratungsstelle für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit an der Universitätsklinik Ulm, kennt die Sorgen der Frauen. Jährlich berät sein Team bis zu 4.000 Patientinnen und Ärzte. „Die Informationen auf den Beipackzetteln sorgen oft für so viel Angst, dass Frauen entweder ganz auf Medikamente verzichten oder versehentlich etwas einnehmen und dann in Panik geraten“, erklärt Paulus. Die Herausforderung besteht darin, Nutzen und Risiken abzuwägen, was oft nicht einfach ist, da die Datenlage zu Schwangerschaftsmedikamenten häufig dünn ist.
Die Schatten der Vergangenheit
Die Zurückhaltung der Hersteller hat ihre Wurzeln im Contergan-Skandal der 1960er Jahre, der Tausende von Kindern mit schweren Fehlbildungen zur Folge hatte. Seitdem sind Schwangere von vielen Studien ausgeschlossen. „Tierversuche liefern keine zuverlässigen Daten, da der Stoffwechsel der Tiere anders ist und oft viel höhere Dosen verwendet werden“, sagt Paulus. Die einzige Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, bleibt oft die Beobachtung von Frauen, die unwissentlich Medikamente in der Frühschwangerschaft eingenommen haben. Doch das kann Jahre dauern, bis Warnhinweise relativiert werden können.
Wenn Schwangere Beschwerden haben, ist es entscheidend, die individuelle Situation zu betrachten. Manuela Rauer-Sell, Hebamme und Beraterin, betont, dass nicht immer alles ertragen werden muss. „Schmerzen können Stress für die Mutter und das ungeborene Kind verursachen“, warnt sie. Es ist wichtig, Schwangere aufzuklären und ihnen die Freiheit zu geben, selbst zu entscheiden, wann sie Medikamente einnehmen sollten. Beratungsangebote, wie die der Universitätsklinik Ulm und der Charité in Berlin, bieten wertvolle Orientierung. Zudem empfiehlt Rauer-Sell, bei leichten Beschwerden zunächst Hausmittel auszuprobieren, bevor zu Medikamenten gegriffen wird. „Altes Wissen hat auch heute noch seine Berechtigung“, fügt sie hinzu.