In Stuttgart macht ein innovatives Projekt zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit von sich reden. "Housing First", ein Modellprojekt, hat sich darauf spezialisiert, wohnungslose Menschen in eigene Wohnungen zu vermitteln. Nach zwei Jahren erfolgreicher Arbeit sind mittlerweile 25 von 50 geplanten Mietverträgen unterzeichnet worden.
Die Grundidee hinter "Housing First" ist revolutionär: Statt zuerst Therapien oder Hilfsangebote zu verlangen, bekommen die Betroffenen ihre eigene Wohnung. Dies geschieht ohne Bedingungen und soll den Menschen als stabile Basis dienen, um ihre weiteren Herausforderungen besser bewältigen zu können. Der Ansatz stammt ursprünglich aus Amerika und wird in Stuttgart seit 2021 umgesetzt.
Der Weg zur eigenen Wohnung
Die Stadt Stuttgart unterstützt das Projekt finanziell und hat es durch eine Zusammenarbeit mit der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart sowie der Caritas Stuttgart initiiert. Die ersten positiven Ergebnisse zeigen bereits, dass diese Herangehensweise funktioniert. Für viele Betroffene wie Alexandra L. war die Gelegenheit, eine eigene Wohnung zu beziehen, ein entscheidender Wendepunkt.
Alexandra lebte zu Beginn des Jahres 2019 ein halbes Jahr lang auf der Straße und war zuvor heroinabhängig. Nachdem sie sich entschieden hatte, etwas an ihrer Lebenssituation zu ändern, begab sie sich erfolgreich in Therapie. Doch die Rückkehr zu einem geregelten Leben war äußerst herausfordernd, da sie keine Wohnung hatte. "Es war wirklich eine schlimme Zeit", beschreibt sie ihre Erfahrungen in der Obdachlosigkeit.
Durch die Programmteilnahme konnte sie sich schließlich in eine unbefristete Zweizimmerwohnung in Stuttgart-Zuffenhausen einmieten. "Es ist ein Wunder, dass ich wieder meinen eigenen Mietvertrag habe", erklärte sie voller Freude. Dies verdeutlicht die positive Auswirkung des Projekts auf das Leben der Teilnehmer.
Knapp 4.000 Menschen leben in Stuttgart ohne feste Unterkunft, und das geht weit über die Personen hinaus, die auf der Straße schlafen. Diese Personen, die als „obdachlos“ bezeichnet werden, unterscheiden sich von Menschen, die bei Freunden oder in Notunterkünften wohnen, die als „wohnungslose“ gelten.
Ein neuer Ansatz in der Sozialarbeit
Die Förderung durch "Housing First" ist darauf ausgelegt, nicht nur Wohnungen anzubieten, sondern auch Unterstützung in anderen Lebensbereichen zu leisten. Derzeit stehen 20 Personen auf der Warteliste für die Wohnungsvermittlung. Um auf diese Liste zu gelangen, sind keine speziellen Voraussetzungen erforderlich, was eine breite Teilnahme ermöglicht.
Das Jobcenter übernehmt die Miete für die Wohnungen, bis die Betroffenen in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Alexandra L. berichtet, dass ihre Kaltmiete von 490 Euro ebenfalls vom Jobcenter gedeckt wird, bis sie eine feste Anstellung gefunden hat. "Im nächsten Jahr möchte ich eine Umschulung beginnen und hoffe, Arbeitserzieherin zu werden", so die 42-Jährige. Diese berufliche Unterstützung bietet das Programm an, um den Menschen einen langfristigen Weg zurück ins Berufsleben zu ermöglichen.
Zusätzlich zur Wohnungsvermittlung beinhaltet das Projekt die individuelle Hilfe bei der Jobsuche und dem Umgang mit Schulden sowie Suchtproblemen. Diese ganzheitliche Herangehensweise hebt "Housing First" von traditionellen Hilfsprogrammen ab.
Das Projekt ist für vier Jahre konzipiert und bis zum Abschlusszeitpunkt sollen 50 Wohnungen vermittelt werden. Derzeit haben 17 alleinstehende Personen, drei Paare und fünf Familien mit insgesamt acht Kindern eine neue Bleibe gefunden. "Es ist der schönste Moment für uns, wenn die Personen das erste Mal den Schlüssel für ihre neue Wohnung in den Händen halten", berichtet Sozialarbeiterin Katharina Rudel stolz.
Ein besonders erfolgreicher Aspekt des Programms ist die Kooperation mit verschiedenen Wohnungsunternehmen wie Vonovia, die durch ihre Bereitstellung von Wohnungen maßgeblich zur Umsetzung des Projekts beitragen. "Wir merken, dass das Projekt erfolgreich ist und ich hoffe, dass es auch nach Ende des Modellzeitraums in Stuttgart weiterlaufen kann", sagt Rudel.
Die bisherigen Ergebnisse und die Affirmation der Teilnehmer zeigen, dass die Idee von "Housing First" nicht nur theoretisch funktioniert, sondern konkrete positive Veränderungen im Leben der Betroffenen bewirken kann. Wie www.swr.de berichtet, bleibt abzuwarten, welche weiteren Fortschritte das Modell in den nächsten Jahren noch erzielen wird.
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