Die Idee, ein eigenes Zuhause auf einem Grundstück zu bauen, das einem nicht gehört, mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Doch genau das ermöglicht das Erbbaurecht. Im kleinen Ort Engelswies, im Kreis Sigmaringen, offeriert der Katholische Kirchenfonds derzeit vier von diesen besonderen Grundstücken zur Nutzung. Ein Grundstück hat bereits einen Pachtvertrag von 99 Jahren erhalten. Aber was bedeutet das konkret und worauf müssen Interessenten achten?
Bei einem Erbbaurechtsvertrag bleibt das Grundstück im Eigentum der jeweiligen Kirche oder Stiftung. Friedbert Maier, der die Abteilung für Grundstücke und Erbbaurecht der Erzdiözese Freiburg leitet, erklärt, dass der Pachtvertrag in der Regel für 99 Jahre angelegt ist. Während dieser Zeit entrichtet der Pächter einen jährlichen Erbbauzins und leistet innerhalb der ersten vier Wochen die Erschließungskosten für das Grundstück.
Rechenbeispiele für den Erbbauzins
Die Grundstücke in Engelswies kosten zwischen 30.000 und 40.000 Euro, wobei die Flächen von 500 bis 600 Quadratmetern reichen. Matthias Pagel, Verwaltungsbeauftragter der Kirchengemeinden im Kreis Sigmaringen, erläutert, dass der Erbbauzins aus dem Bodenwert kalkuliert wird, ohne die genannten Erschließungskosten zu berücksichtigen. In den ersten zwölf Jahren bleibt dieser Zins stabil, danach erfolgt alle sechs Jahre eine Anpassung entsprechend dem Verbraucherpreisindex. Dies bedeutet, dass bei steigenden Lebenshaltungskosten auch der Erbbauzins ansteigt.
Ein zusätzliches Plus für Familien: Wer Kinder hat, profitiert von einer Reduzierung des Erbbauzinses in den ersten sieben Jahren. In Engelswies schwankt dieser zwischen 400 und 600 Euro jährlich. Dieses Modell könnte für viele Paare und junge Familien ein willkommener Ausweg aus der spiralen Preiserhöhung auf dem Grundstücksmarkt sein.
Die Kirche verkauft die Grundstücke nicht, da die Einnahmen aus dem Erbbauzins der Stiftung oder der Kirche in der Region zugutekommen. Maaier merkt an, dass die Möglichkeiten an Erbpacht in der Öffentlichkeit oft unzureichend bekannt sind. „Es ist nicht so gängig, auch wenn sowohl kirchliche als auch private Vermögensgesellschaften diese Methode anwendet“, erklärt er.
Rechte und Pflichten von Erbbauberechtigten
Im Wesentlichen gehört dem Erbbauberechtigten das Gebäude auf dem gepachteten Grundstück, und er hat alle Rechte und Pflichten eines Eigentümers. Er kann die Immobilie auch verkaufen, wobei der neue Käufer den bestehenden Erbbaurechtsvertrag übernehmen muss. Nach Ablauf der 99 Jahre wird erneut verhandelt, wobei die Kirche an einer weiteren Pacht interessiert ist. Wenn jedoch keine Einigung erzielt werden kann, weil der Pachtzins nicht mehr gezahlt werden kann, geht das Gebäude in den Besitz der Kirche über. Doch es gibt eine Regel: Die Kirche muss in diesem Fall zwei Drittel des Marktwerts der Immobilie als Entschädigung zahlen.
Auf die gesunde Nachfrage im Erbpachtsektor hat die momentane Baukrise, gekennzeichnet durch hohe Kosten und Zinsen, leider negative Auswirkungen. Gegenwärtig existieren in der gesamten Erzdiözese Freiburg etwa 8500 Erbbaurechte. Friedbert Maier ist überzeugt: „Die Erbpacht gibt es seit Jahrzehnten und sie stellt eine solide Alternative zum klassischen Grundstückskauf dar.“ Die Idee mag neu erscheinen, ist aber schon lange Teil des deutschen Immobilienmarktes.
Die Vorzüge und potenziellen Herausforderungen des Erbbaurechts sind klar definiert. Interessenten sollten sich bewusst sein, dass sie sich genau über die Bedingungen informieren müssen. Maier rät, bei laufenden Verfahren genau zu prüfen, wie lange die Laufzeit noch ist und welche Entwicklungen beim Erbbauzins in den kommenden Jahren zu erwarten sind. So können böse Überraschungen vermieden werden.