Lindau (Bodensee)Ravensburg

Äpfel vom Bodensee: Streit um Pestizide und ihre Folgen für die Bauern

Angesichts von Vorwürfen des Umweltverbands BUND über schädliche „Schönheits-Pestizide“ in Bodensee-Äpfeln wehren sich die Obstbauern des zweitgrößten Obstanbaugebiets Deutschlands, nachdem ein Verbot des Pflanzenschutzmittels Captan ihre Ernte bedroht und die Diskussion über die Sicherheit von Lebensmitteln und nachhaltigen Anbaumethoden neu entfacht wurde.

Der Bodensee steht im Fokus eines anhaltenden Streits, der die Obstproduzenten in der Region stark betrifft. Thomas Heilig, der Vorsitzende des Obstregion Bodensee e. V., ist unzufrieden, nachdem Berichte über den Einsatz von sogenannten „Schönheits-Pestiziden“ in den Äpfeln veröffentlicht wurden. Diese Pestizide sollen den Äpfeln ein einwandfreies Aussehen verleihen, sind jedoch in der Kritik, weil sie als gesundheitsgefährdend angesehen werden.

Die Warnung des Umweltverbandes BUND, der von „Schneewittchen-Äpfeln“ spricht, hat bei vielen Beteiligten Empörung ausgelöst. Die Bezeichnung markiert die fruchtbare Obstregion, indem sie eine Verbindung zwischen äußerer Anziehungskraft und innerer Gefährlichkeit schafft. Corinna Hölzel, Mitarbeiterin des BUND, sagte: „Der Handel nimmt lieber den Schneewittchen-Apfel, außen schick und innen giftig.“ Solche Äußerungen seien nicht nur ärgerlich, sondern auch geschäftsschädigend, so Heilig.

Komplexe Herausforderungen für Obstbauern

Dieter Mainberger, ein Obstbauer und Chef des Bauernverbands Tettnang, sieht die Herausforderung in der Kombination von Obst- und Hopfenanbau. Wetterbedingungen in diesem Jahr haben zu einem erhöhten Pilzbefall geführt, was eine höhere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erforderlich macht. Gesunde Pflanzen bedürfen eines entsprechenden Schutzes, insbesondere wenn es um die Ernte geht.

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Das Problem verstärkt sich durch das Verbot des Pflanzenschutzmittels Captan, das in der Region zuvor regelmäßig eingesetzt wurde. Wegen internationaler Standards und einer Nulltoleranz bei Rückständen müssen die lokalen Bauern nun auf alternative Mittel zurückgreifen. Heilig berichtete, dass mehrere Bauern gegen die Verordnung klagen, da ihre Existenzen auf dem Spiel stehen.

Die Situation hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf den Plan gerufen. Seit Juli dürfen die Landwirte vorübergehend auf ein anderes Mittel, Folpet, zurückgreifen, das jedoch in der Vergangenheit auf der Roten Liste im Obstanbau stand. Dieses Fungizid, das für den Hopfenanbau zugelassen ist, könnte eine Lösung darstellen, jedoch gibt es Bedenken hinsichtlich gesundheitlicher Risiken. Der BUND hat Folpet als „akut toxisch“ und „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, was zu intensiven Diskussionen führt.

Im Gegensatz dazu argumentiert das BVL, dass es keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Anwendung auf der erhöhten Höchstgrenze von 6 mg/kg gibt, was im Vergleich zu anderen Obstsortenwie Tafeltrauben unverändert bleibt.

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Auf der Suche nach Lösungen

Ungeachtet dieser Herausforderungen hoffen die Obstbauern auf eine ertragreiche Ernte. Laut Experten wird erwartet, dass etwa 247.000 Tonnen Äpfel am Bodensee und in Oberschwaben geerntet werden, was 13 Prozent mehr ist als im Vorjahr. Heilig hat Optimismus geäußert, dass der Preis für die Äpfel bei etwa 60 Cent pro Kilo liegen könnte, vorausgesetzt die Qualität wird gewährleistet.

Gleichzeitig engagiert sich die Obstbaubranche im Projekt „Fairdi“, um den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Die Landwirte experimentieren seit zwei Jahren mit neuen Apfelsorten, die besser auf Klimaveränderungen reagieren und requiem Fertilität zeigen. In naher Zukunft sollen erste Ergebnisse aus diesen Bemühungen präsentiert werden.

Das Gesamtbild dieser Situation am Bodensee ist komplex, und während die Produzenten versuchen, sich an die neuen Richtlinien und Bedingungen anzupassen, steht das gesunde Wachstum der Region im Mittelpunkt ihrer Überlegungen.

Im Kontext der aktuellen Diskussionen um Pestizide und ihre Verwendung im Obstbau sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen von großer Bedeutung. In der Europäischen Union gelten strenge Richtlinien, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln regulieren. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 legt die Bedingungen fest, unter denen Pflanzenschutzmittel genehmigt werden, um die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen. Nutzpflanzen müssen in der Regel umfassenden Tests unterzogen werden, bevor Einsatzmöglichkeiten genehmigt werden. Dieses Verfahren soll sicherstellen, dass nur die sichersten Mittel in die landwirtschaftliche Praxis gelangen.

Die Debatte um Folpet und dessen vorübergehende Zulassung ist daher Teil eines größeren Diskurses über die Balance zwischen landwirtschaftlicher Notwendigkeit und gesundheitlichen Bedenken. Die Landwirtschaft steht vor der Herausforderung, Verbraucherwünsche nach Ästhetik und Sicherheit zu erfüllen, während sie gleichzeitig den Druck hat, effizient und ökologisch zu produzieren. Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2022 haben 60 Prozent der Verbraucher Bedenken hinsichtlich Rückständen in Lebensmitteln, was die Diskussion über die Verwendung von Pestiziden und deren Auswirkungen auf das Vertrauen der Verbraucher anheizt

Auswirkungen auf den Erzeugermarkt

Die Kontroversen um Pestizide beeinflussen auch die Marktpreise für Äpfel erheblich. Im Jahr 2021 lag der Durchschnittspreis für Äpfel in Deutschland bei etwa 1,15 Euro pro Kilogramm, während der Erzeugerpreis deutlich darunter lag. Diese Diskrepanz zeigt, wie wichtig es für die Obstbauern ist, die Qualität ihrer Produkte zu sichern, um im Wettbewerb zu bestehen. Wenn Verbraucher beginnen, sich intensiver mit den Produktionsmethoden auseinanderzusetzen, kann dies langfristige Auswirkungen auf die Kaufkraft und die Verkaufszahlen der Obstbauern haben.

Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass Bio-Äpfel im Durchschnitt etwa 20 bis 30 Prozent mehr kosten als konventionell angebaute. Die Verbraucher sind jedoch oft bereit, für als sicherere Produkte etikettierte Lebensmittel mehr zu bezahlen. Diese Tendenz könnte dazu führen, dass konventionelle Obstbauern gezwungen sind, ihre Anbaumethoden zu überprüfen und möglicherweise nachhaltigere Praktiken zu implementieren, um mit der Nachfrage nach Bio-Produkten und weniger chemischen Rückständen Schritt zu halten.

– NAG

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