Im Landkreis Calw sieht es düster aus für die Notfallversorgung in der Region. Nachdem vor einem Jahr die Öffnungszeiten der lokalen Notfallpraxen reduziert wurden, könnte nun eine vollständige Schließung drohen. Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit einem Urteil des Bundessozialgerichts, das die Sozialversicherungspflicht für sogenannte Poolärzte, wie etwa Ärzte im Ruhestand, klarstellte.
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) reagierte auf das Urteil mit drastischen Maßnahmen. Acht von insgesamt 115 Notfallpraxen im Land werden geschlossen, und viele weitere Praxen erleben Teil-Schließungen. Unter den betroffenen Praxen könnte auch die Notfallversorgung in Calw fallen, was große Besorgnis auslöst.
Erhebliche Auswirkungen auf die Region
Berichten zufolge plant die KV, weitere 17 Notfallpraxen, darunter auch die in Calw, zu schließen. Dadurch wird nicht nur die Stadt Calw betroffen, sondern auch umliegende Regionen wie Herrenberg und Neuenbürg. Diese Schließungen resultieren aus der Neudefinition der Anforderungen an den ärztlichen Bereitschaftsdienst; so müssen die verbleibenden Notfallpraxen für 95 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein.
Die Sorge um die Überlastung der Notaufnahmen wächst. In einer gemeinsamen Erklärung betonen die Landräte Roland Bernhard und Helmut Riegger, dass diese geplanten Änderungen eine gravierende Verschlechterung für die Bevölkerung darstellen. „Die Notfallversorgung ist eine zentrale Daseinsvorsorge und darf nicht einfach auf die Kliniken abgewälzt werden“, so Bernhard, der auch im Klinikverbund Südwest als Aufsichtsratsvorsitzender tätig ist.
Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung
Für Riegger ist es entscheidend, dass ambulante und stationäre Versorgungsstrukturen besser aufeinander abgestimmt werden. In einem ländlichen Bereich wie Calw sei es unabdingbar, dass mehrere Notfallstandorte bestehen bleiben, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Seine Bedenken wurden bisher nur unzureichend adressiert.
Darüber hinaus äußert auch der Geschäftsführer des Klinikverbundes, Alexander Schmidtke, seine Bedenken hinsichtlich der geplanten Reform. Diese könnte zu einem Anstieg von bis zu 160.000 Notfällen pro Jahr in den Notaufnahmen des Klinikverbundes führen. Bisher müssen die Kliniken 60 Prozent dieser Fälle ambulant versorgen, wobei die finanzielle Lage der ambulanten Versorgung als massiv unterfinanziert gilt.
Die Schließung dieser Praxen hat somit nicht nur Auswirkungen auf die Patienten, die auf eine schnelle und flächendeckende Notfallversorgung angewiesen sind, sondern auch auf die finanziellen Aspekte des Klinikbetriebs. Der Klinikverbund rechnet mit Verlusten in Höhe von etwa zehn Millionen Euro jährlich. Diese Zahlen verdeutlichen die unhaltbare Situation, in der sich die Notfallversorgung im Landkreis Calw befindet.
Bereits im letzten Jahr hatten Bernhard, Riegger und Schmidtke an den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach appelliert, die Situation ernst zu nehmen. Der Aufruf blieb jedoch ungehört, was die Dringlichkeit der Problematik unterstreicht.
In den Landkreisen Böblingen und Calw existieren aktuell fünf Notfallpraxen, die sich in den Kliniken der Region befinden. Der Spaßvogel, den die Notfallpraxen im vereinfachten Verständnis darstellen, sollte jedoch nicht mit dem Rettungsdienst verwechselt werden. Ein Sprecher der KV wies darauf hin, dass die Bezeichnung „Notfallpraxis“ irreführend sei, denn „echte Notfälle“ sollten stets den Rettungsdienst anrufen. Die Praxen dienen vielmehr dem ärztlichen Bereitschaftsdienst außerhalb der regulären Sprechstunden. Fehlen diese Praxen, besteht die Gefahr, dass Patienten unnötig die regulären Notaufnahmen frequentieren.
Die aktuelle Lage in Calw wirft somit essentielle Fragen zur Zukunft der Notfallversorgung auf. Trotzdem bleibt offen, welche Lösungen die Verantwortlichen in Betracht ziehen, um die medizinische Grundversorgung in der Region zu sichern. Diese Entwicklungen sind nicht nur lokal von Bedeutung, sondern können auch weitreichende Folgen für die gesamte Notfallversorgung in Deutschland haben. Für genauere Informationen über die umstrittenen Schließungspläne und deren Hintergründe kann man auf eine umfassende Berichterstattung auf www.schwarzwaelder-bote.de zugreifen.