Die Diskussion um Autokennzeichen in Deutschland gewinnt an Fahrt. Ein neuer Vorschlag könnte Hunderte mittelgroße Städte in die Lage versetzen, eigene Kfz-Kennzeichen einzuführen. Dieser Plan wird von Ralf Bochert, Professor für Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn, initiiert. Er betont die Bedeutung dieser Maßnahme für die Identität der Städte: „Mit eigenen Buchstabenkürzeln könnte die lokale Identität der Kommunen gestärkt werden“, erklärt Bochert. Dies würde nicht nur das Stadtmarketing unterstützen, sondern auch das Zugehörigkeitsgefühl der Bürger fördern.
Der Wunsch nach mehr regionaler Identität ist stark. Bochert beschreibt die Einführung neuer Kennzeichen als eine „unbürokratische“ Möglichkeit, diesem Bedürfnis nachzukommen. Im Gegensatz zu vielen politischen Entscheidungen, die oft mit langen Verfahren und hohen Kosten verbunden sind, fühlt er, dass hier eine einfache Lösung im Rahmen der bestehenden Verordnungen gefunden werden könnte. Derzeit existieren in Deutschland bereits etwa 700 Ortskennzeichen, die aus historischen Gründen wieder eingeführt wurden, und der Vorschlag könnte dazu führen, dass 320 Städte, die bisher keine eigenen Kennzeichen haben, ebenfalls profitieren.
Von der Idee zur Umsetzung
Um die neuen Kennzeichen einzuführen, müsste das jeweilige Land beim Bundesverkehrsministerium eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung beantragen. Bochert erklärt das Verfahren mit zwei Schritten: Es müssten lediglich einige Sätze in der Verordnung gestrichen und neue Regelungen ergänzt werden. Sobald ein Antrag genehmigt ist, könnten neue Kennzeichen ausgegeben werden. Allerdings wird erwartet, dass viele Länder erst auf Wunsch eines Kreises oder einer Stadt aktiv werden, was bedeutet, dass lokale politische Entscheidungen den Prozess maßgeblich beeinflussen werden.
Die Chancen für die Einführung dieser neuen Kennzeichen scheinen nicht schlecht zu stehen. Mehrere Bürgermeister haben sich bereits für das Vorhaben ausgesprochen. Erik Lierenfeld, der Oberbürgermeister von Dormagen, erklärte der „Bild“-Zeitung: „Es sind zwar nur zwei oder drei Buchstaben. Doch diese Buchstaben zeigen an, wo man herkommt, wo man hingehört.“ Auch in der Bundesregierung gibt es positive Signale. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Oliver Luksic, hat angedeutet, dass dem Wunsch nach mehr lokaler Verortung ernsthaft nachgegangen werden könnte.
Trotz der allgemeinen Zustimmung gibt es auch kritische Stimmen. Achim Brötel, Präsident des Landkreistags, hält das Vorhaben für überflüssig und sieht ernsthaftere Herausforderungen, die die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger erfordern. „Kfz-Kennzeichen haben primär keine Marketingfunktion“, so Brötel. Er warnt vor einer möglichen Zersplitterung der Kennzeichenlandschaft, die mehr Aufwand und Verwirrung für die Bürger mit sich bringen könnte.
Die bisherigen regionalen Kennzeichen sind das Ergebnis eines Liberaliserungsprozesses, der 2012 begann. Vor diesem Jahr hatte jede Region ein festgelegtes Kennzeichen, das zur Identifizierung genutzt wurde. Nach der Liberalisierung war es möglich, dass Fahrzeughalter aus verschiedenen verfügbaren Kennzeichen auswählen konnten. Einige alte Kennzeichen wurden wieder eingeführt, was die Identifikation mit den Heimatstädten auf eine nostalgische Art und Weise beflügelte.
Die Frage bleibt, wie ernsthaft die Länder auf diesen neuen Vorschlag reagieren werden. Bislang gibt es noch keine offiziellen Anträge, um die neuen Kennzeichen einzuführen. Es scheint jedoch, dass die politische Stimmung in vielen Kommunen positiv eingestellt ist. Bochert hofft, dass diese Diskussion nicht nur die Identität der Städte stärkt, sondern auch die lokalen Gemeinschaften zusammenschweißt und für ein neues Bewusstsein für regionale Zugehörigkeit sorgt.
Ob die neuen Kennzeichen Wirklichkeit werden, hängt letztendlich von einer Reihe von politischen Entscheidungen und Verfahren ab. Bis dahin bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und welche Städte am Ende tatsächlich eigene Kennungen bekommen. Diese Diskussion könnte insbesondere für viele mittelgroße Städte von Bedeutung sein, die bislang oft im Schatten der größeren Metropolen stehen und nun eine neue Möglichkeit zur Stärkung ihrer Identität sehen.
Für weitere Informationen und eine detaillierte Betrachtung des Themas, siehe den Bericht auf www.shz.de.