Im Schwabenland haben sich innovative Technologien ihren Weg in die Abwasserwelt gebahnt. Im Klärwerk von Göppingen, das seit Mai dieses Jahres mit hochmodernen Messhauben ausgestattet ist, werden nun umweltschädliche Gase wie Lachgas und Methan durch fortschrittliche Sensoren überwacht. Ziel dieser Maßnahme ist es, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) die Emissionen während des Reinigungsprozesses von Abwasser deutlich zu senken.
Diese Sensoren sind Teil des geförderten Forschungsprojekts „Künstliche Intelligenz für klimaneutrale Kläranlagen“ (KIkKa), unterstützt durch das Bundesumweltministerium. Während in vielen Diskussionen häufig das Treibhausgas CO₂ im Mittelpunkt steht, richtet sich der Fokus hier auf Lachgas, das nahezu 300-mal klimaschädlicher ist als CO₂. Diese Erkenntnis zeigt, wie entscheidend es ist, auch alternative Klimagasemissionen ins Visier zu nehmen.
Die Rolle der Kläranlagen in der Emissionsbilanz
Das Problem der Treibhausgasemissionen in Kläranlagen hat das Forschungsprojekt schon frühzeitig auf die Agenda gesetzt. Bereits Ende 2022 initiierte ein Team der Universität Stuttgart eine umfassende Untersuchung der Göppinger Kläranlage. Es ging nicht nur darum, die biologischen Reinigungsstufen zu analysieren, sondern das gesamte Klärwerk unter die Lupe zu nehmen. Die Ergebnisse waren signifikant: Die Hauptursache der direkten Emissionen sind die biologischen Reinigungsprozesse, bei denen Bakterien organische Abfälle abbauen und dabei klimaschädliches Lachgas als Nebenprodukt erzeugen.
Die Herausforderung dabei ist, dass diese Mikroorganismen Sauerstoff benötigen, was einen immensen Energieaufwand zur Folge hat. Es steht außer Frage, dass kommunale Kläranlagen zu den größten Energieverbrauchern im öffentlichen Sektor zählen. Hier kommt die KI ins Spiel, die durch gezielte Datenanalyse und Optimierung helfen soll, den Energieverbrauch und die Emissionen drastisch zu reduzieren.
KI als Lösung für Energieeffizienz
Das Projekt hat eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und zielt darauf ab, verschiedene Prozessschritte innerhalb der Kläranlage zu optimieren. Durch den Einsatz von Sensoren und Treibhausgasanalysatoren gelingt es, die gasförmigen Bestandteile im Wasser präzise zu erfassen. Die KI kann daraufhin berechnen, wie viel Sauerstoff benötigt wird und wann es sinnvoll ist, die Belüftung zu drosseln. Diese Herangehensweise verspricht nicht nur geringere Emissionen, sondern auch eine spürbare Einsparung von Energie.
Ein zukunftsweisender Aspekt dieses Projekts spiegelt sich in der überarbeiteten Abwasserrichtlinie der Europäischen Union wider. Diese richtet ihren Fokus auf die Beseitigung von Mikroplastik und verlangt eine umfassende Energieneffizienz in Kläranlagen. Eine zentrale Neuerung ist die Verpflichtung zur Messung der Treibhausgasemissionen, was einen bedeutenden Schritt in Richtung klimaneutraler Kläranlagen darstellt.
Herausforderungen für die Kommunen
Die bevorstehenden Anforderungen könnten für viele Kommunen als Herausforderung betrachtet werden. Die EU-Richtlinie verlangt möglicherweise die Nachrüstung von Messtechnik in bestehenden Klärwerken, um die nötigen Daten zur emissionsreduzierenden Strategie zu erfassen. Diese Investitionen sind jedoch nicht nur eine finanzielle Belastung, sondern bieten auch die Möglichkeit, mittels präziser Datenanalysen tatsächliche Verbesserungen im Energieverbrauch zu erzielen.
Georg Gänzle, der Betriebsleiter der Stadtentwässerung Göppingen, weist darauf hin, dass eine effiziente Belüftung, die künftig mithilfe der KI optimiert werden soll, der Hauptstromverbraucher ist. Eine gezielte Anpassung könnte den Strombedarf erheblich senken und zu einer wirtschaftlichen Entlastung für die Kommunen führen. Trotz der anfänglichen finanziellen Aufwendungen für die Technik ist Gänzle überzeugt, dass die langfristigen Einsparungen den Aufwand rechtfertigen.
– NAG