In der malerischen Region Ihringen, im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, wird eine innovative Bestattungsform etabliert, die rasant an Beliebtheit gewinnt. Hier, umgeben von sanften Hügeln und saftigen Weinbergen, sind die ersten Schritte für einen Friedweinberg bereits getan. Bürgermeister Benedikt Eckerle, parteilos, ist optimistisch und sagt: „Die Gräber sind zwar noch nicht mit Steinen versehen, aber die Reben stehen bereits. Dieser Ort wird in naher Zukunft 32 Verstorbenen eine letzte Heimat bieten.“
Die emotionale Verbindung der Menschen in Ihringen zu den Weinbergen ist stark. „Jeder Ihringer hat von Kindesbeinen an mit Weinbergen zu tun“, erklärt Eckerle und deutet damit auf die Möglichkeit hin, dass der Friedweinberg nicht nur als Grabstätte, sondern auch als Teil der lokalen Kultur wahrgenommen wird. Diese Bestattungsart könnte für viele zu einem Symbol des Lebens werden, und nicht nur des Todes, da sie tief in der Gemeinschaft verwurzelt ist.
Die besondere Bestattungsform
Die Idee eines Friedweinbergs trifft den Nerv der Zeit. Immer mehr Menschen streben nach einer individuellen, aber dennoch regionalen Bestattungsmöglichkeit, wie Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas aus Königswinter bestätigt: „Viele wünschen sich etwas Persönliches, ohne total außergewöhnlich zu sein. Die Bestattung im Friedweinberg ermöglicht genau das.“
Ein zentraler Aspekt dieser neuen Bestattungsform ist die klare Regelung der Rahmenbedingungen. „Die Urne muss biologisch abbaubar sein“, erläutert Eckerle. Grabpflege ist nicht erforderlich, was bedeutet, dass sich Angehörige nicht ständig um die Grabstätte kümmern müssen. Dieses Konzept passt gut zu den sich wandelnden Wünschen in der Bestattungskultur. Für viele wäre jedoch der Verkauf eines „Friedweins“ ein sensibles Thema. Helbach² ist sich sicher: „Das wäre für viele wohl doch ein Pietätsproblem“. Daher bleibt der Friedweinberg ein Ort der Ruhe und Besinnung.
Das Konzept ist nicht neu. Bereits seit 2018 existiert in Nordheim (Unterfranken) ein solcher Friedweinberg. Bürgermeisterin Sibylle Säger bezeichnete es als „die beste Idee, die wir je hatten“. Es zeigte sich schnell, dass der Bedarf vorhanden ist: Touristen, die jahrelang an den Main in den Urlaub fuhren, haben bereits Urnengrüfte dort gewählt. Die Struktur sieht vor, dass jeweils acht Urnengräber um einen Weinstock angeordnet sind, wobei 200 Weinstöcke zur Verfügung stehen. Jedes Grab wird durch ein Metallschildchen gekennzeichnet, anonymisierte Bestattungen sind ebenfalls möglich.
Ein deutschlandweites Phänomen
Die Entstehung solcher Friedweinberge ist ein Trend, der in mehreren Weinbauregionen überraschend schnell an Fahrt gewonnen hat. Der erste dieser Art wurde 2017 in Bad Neuenahr-Ahrweiler eröffnet. Seitdem haben Gemeinden in Rheinhessen, der Pfalz und Nordbaden ähnliche Konzepte ins Leben gerufen. An Orten wie Dortmund und Schwerte-Unna sind Urnengräber unter Weinreben nun ebenfalls Realität.
In Südbaden, speziell in Endingen am Kaiserstuhl, wurden bereits 2018/2019 720 Urnengräber unter Weinreben angelegt, von denen bereits 520 verkauft sind, wie Barbara Limberger vom Friedhofsamt berichtet. „Diese Bestattungsform gefällt den Leuten einfach“, so Limberger. Dies zeigt, dass nicht nur Ihringen von dieser Idee begeistert ist, sondern dass sie in ganz Deutschland auf regen Zuspruch stößt. Eine Entwicklung, die es wert ist, beobachtet zu werden.
Die Bestattung unter Weinreben spiegelt den Wunsch der Menschen wider, im Einklang mit der Natur zu ruhen und einen Bezug zu ihrer Heimat zu bewahren. Die Schaffung solcher Räumlichkeiten bringt eine frische Perspektive auf Bestattungskultur und hebt die Bedeutung von emotionalen Bindungen, selbst über den Tod hinaus, hervor.
Einblicke in Bestattungskultur und Trends
Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Immer mehr Menschen wünschen sich eine persönliche, individuelle Bestattungsform, die den Charakter und die Vorlieben des Verstorbenen widerspiegelt. Traditionelle Grabstellen mit konventionellen Steinen verlieren zunehmend an Attraktivität. Dies zeigt sich besonders in der Beliebtheit alternativer Bestattungsformen wie etwa Baumbestattungen oder, wie in diesem Fall, der Bestattung unter Weinreben.
Das Bedürfnis, mit der Natur in Verbindung zu bleiben, zeigt sich auch in der Wahl der Bestattungsorte. Menschen suchen nach Orten, die Erinnerungen wecken und eine bestimmte Atmosphäre bieten. Die Bestattung in einem Weinberg wird oft als positiv und beruhigend empfunden, was zu einem steigenden Interesse an solchen Konzepten führt. Laut einer Umfrage der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas wünschen sich 57 % der Befragten eine individuelle Gestaltung ihrer Bestattung, während 43 % dafür offen sind, diese in der Natur zu vollziehen.
Kulturelle und rechtliche Aspekte von Friedweinbergen
Die Etablierung von Friedweinbergen bringt auch rechtliche Überlegungen mit sich. In Deutschland unterliegt die Bestattungsgesetzgebung den jeweiligen Bundesländern, was eine Vielfalt an Regelungen zur Folge hat. Die Einhaltung der Bestattungsordnung ist unerlässlich, um sowohl die Interessen der Anwohner als auch der Hinterbliebenen zu wahren. Bürgermeister Eckerle hebt hervor, dass die Planung und Umsetzung des Projekts in Ihringen sowohl mit städtischen Behörden als auch mit örtlichen Winzern abgestimmt wurde, um einen reibungslosen und respektvollen Ablauf zu gewährleisten.
Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Idee des Friedweinbergs nicht nur umweltfreundlich ist, sondern auch das soziale Miteinander innerhalb der Gemeinde fördert. Der Weinberg wird zu einem Ort des Gedenkens, der darüber hinaus möglicherweise zu einer neuen Anziehungskraft für Touristen werden kann und den lokalen Weinanbau unterstützt. Die Verbindung zwischen der Weinbaukultur und der Bestattungskultur stellt eine innovative Form der Integration dar, die sowohl für die Region als auch für die Besucher einen Mehrwert bietet.
Aktuelle Entwicklungen und Ausblick
Da das Konzept von Friedweinbergen immer mehr an Beliebtheit gewinnt, sind bereits mehrere Städte in Deutschland daran interessiert, ähnliche Projekte in ihrer Region zu entwickeln. Die positive Resonanz aus Nordheim und Ihringen könnte signalhaft für andere Gemeinden sein, sich ebenfalls der Idee anzunehmen. Die Verknüpfung von Natur, Kultur und Trauerbewältigung scheint eine vielversprechende Zukunft zu haben.
Die Deutsche Zentrale für Tourismus vermeldet, dass immer mehr Menschen auch bei der Planung ihrer letzten Reise, örtliche Gegebenheiten und landestypische Besonderheiten in Betracht ziehen. Es könnte durchaus sein, dass künftige Friedweinberge auch touristisch erschlossen werden und zu einem Teil des kulturellen Erbes der Region werden. Damit stehen nicht nur Erinnerungen im Fokus, sondern auch die Wertschätzung der Landschaft und der lokalen Traditionen.
– NAG