Kempten, Oberallgäu – In einer zunehmend ressourcensensiblen Welt hat das Architekturforum Allgäu Alarm geschlagen. Nach Angaben der Organisation verursachen Bau und Abriss etwa 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Um diesem alarmierenden Trend entgegenzuwirken, wird eine radikale Änderung in der Architektur und beim Investieren gefordert. Franz G. Schröck, Geschäftsführer des Architekturforums, sowie Martin Kopp, Vorstandsmitglied des BDA (Bund Deutscher Architektinnen und Architekten) Kreisverbandes Augsburg Schwaben, betonen die Bedeutung des Erhalts sanierungsfähiger Gebäude, um wertvolle Energie und Materialien zu sparen.
Im Rahmen eines Pressegesprächs wurde auf die Dringlichkeit hingewiesen, Abrisse von noch nutzbaren Gebäuden zu vermeiden. Dieses Anliegen hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen und wird in den regelmäßigen Sitzungen des Architekturforums diskutiert. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem interaktiven Abriss-Atlas, der seit einem Jahr in Deutschland existiert. Die Plattform, die unterdessen immer mehr Einträge verzeichnet, zeigt abgerissene sowie akut vom Abriss bedrohte Bauwerke und wird von mehreren Umwelt- und Architekturorganisationen getragen.
Problematische Abrisse und ihre Konsequenzen
Ein zentrales Problem ist der immense Abfall, der durch Bau- und Abbruchmaßnahmen entsteht. Laut Schätzungen entfallen etwa 55 Prozent des deutschen Abfalls auf diesen Bereich, was jährlich circa 230 Millionen Tonnen entspricht. Zwar werden mehr als 80 Prozent wiederverwertet, jedoch häufig nur in ungenügender Qualität, wie etwa als Füllmaterial. Schröck kritisiert diese Praxis: „So können wir nicht weitermachen.“ Die graue Energie, die in den Materialien steckt, geht verloren, wenn Gebäude einfach abgerissen werden, ohne die bestehenden Ressourcen zu nutzen.
Ein eingängiges Beispiel aus der Region ist das Bavaria-Haus in Kempten, das 2021 einem Investor zum Opfer fiel und abgerissen wurde, obwohl es vorher als ein wichtiger kultureller Raum diente. Ein anderer kritischer Fall ist der geplante Abriss des Hofgartens in Immenstadt, wo die Kosten für eine Sanierung als zu hoch erachtet wurden. Hier gibt es sogar Fördergelder für den Abriss, was die Situation zusätzlich kompliziert macht.
Der Weg zur Lösung: Umbau statt Neubau
Die Verantwortlichen sind sich einig: Um die Baukultur zu retten und den Klimawandel zu bekämpfen, müssen Neu- und Ersatzbauprojekte stark reduziert werden. Die Experten fordern, dass bestehende Gebäude um- und weitergebaut werden. Amandus Sattler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, spricht sogar von einer „Vollbremsung“ im Bauwesen. Historisch gesehen gehörte die Renovierung und Anpassung bestehender Gebäude zur gängigen Praxis. Diese „Wegwerfarchitekturmentalität“, so Schröck, müsse ein Ende finden.
Ein umsichtiger Blick und kreative Lösungen der Architekten werden in Zukunft unerlässlich sein. „Es ist wichtig, dass die Menschen erkennen, dass ihr Müll nicht einfach irgendwo verschwindet“, betont Kopp und ergänzt, dass regionale Materialien wiederverwendet werden sollten, um die Kreisläufe in der Architektur zu schließen. Auch die Schaffung von Bewusstsein in der Gesellschaft über den Ressourcenverbrauch spielt eine zentrale Rolle.
Das Architekturforum Allgäu hat mit seinen Initiativen das Ziel, eine Bauwende anzustoßen, die sowohl ökologisch als auch kulturell vertretbar ist. Gleichzeitig wird ein eindringlicher Appell an alle Beteiligten gerichtet, dass Abrisse nicht nur eine praktische, sondern auch eine kulturelle Dimension besitzen, die es wert ist, belassen zu werden. Angesichts der Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, sind solche Initiativen nicht nur wünschenswert, sondern notwendig.