Das neue Bewertungsboard für spezialisierte Arzneimittel bei seltenen Erkrankungen in Österreich steht in der Kritik. Es wird befürchtet, dass Therapieverzögerungen, mangelndes Fachwissen und rechtliche Unsicherheiten die Versorgung der Patienten, insbesondere derjenigen mit seltenen Erkrankungen, erschweren könnten. Bei dem 15. Rare Diseases Dialog der PHARMIG ACADEMY wurde diskutiert, welche Anpassungen notwendig sind, um das Bewertungsboard positiv zu gestalten.
Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass klinisch tätige Experten bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Insbesondere im Bereich der seltenen Erkrankungen ist ihre medizinische Expertise essentiell für eine Therapieempfehlung. Es wird daher gefordert, dass ihre Einbindung ins Entscheidungsgremium routinemäßig und verbindlich erfolgen sollte. Eine klare Formulierung im Gesetzestext, die sicherstellt, dass die medizinische Fachexpertise bei Therapieentscheidungen berücksichtigt wird, würde Klarheit schaffen.
Darüber hinaus fehlt es laut dem Dachverband Pro Rare Austria an der Einbindung der Patienten für seltene Erkrankungen. Es wird betont, dass die medizinisch-fachliche Beurteilung durch die Mitglieder der Europäischen Referenznetzwerke für Seltene Erkrankungen bei der Bewertung innovativer Therapien zwingend erfolgen muss. Auch die Expertise der Patientenexperten aus dem Rare Disease-Bereich sollte verpflichtend eingeholt werden, da nur sie fachkundig über die gelebte Erfahrung mit einer bestimmten Indikation berichten können.
Weitere Kritikpunkte betreffen die rechtliche Unsicherheit der Entscheidungen des Bewertungsboards sowie die speziellen Herausforderungen bei der Versorgung mit Arzneimittelspezialitäten im Krankenhaus- und ambulanten Bereich. Es wird befürchtet, dass Krankenhausträger den Einsatz neuer Therapien hinauszögern könnten, da nachträgliche Entscheidungen und fehlende Budgets Unsicherheit schaffen. Es wird betont, dass Entscheidungen zeitnah getroffen werden müssen, um irreparable Schäden durch die Krankheit zu verhindern.
Das Bewertungsboard soll eine wichtige Lücke in Österreich schließen und einen einheitlicheren und fundierten Zugang zu medizinisch innovativen Therapien ermöglichen. Allerdings sind grundlegende Modifikationen notwendig, um zu verhindern, dass das Bewertungsboard zu einem Verhinderungsboard für medizinische Innovationen wird. Die pharmazeutische Industrie steht einer medizinischen Bewertung von innovativen Arzneimitteln offen gegenüber, fordert aber klare Regeln und einen planbaren Rahmen.
Insgesamt wird betont, dass ein zeitnahes und fundiertes Vorgehen des Bewertungsboards bei seltenen Erkrankungen entscheidend ist, da Zeit eine entscheidende Rolle spielt. Es ist wichtig, dass Entscheidungen schnell getroffen werden, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen.
Die genannten Kritikpunkte und Forderungen der verschiedenen Beteiligten werden in der Tabelle unten zusammengefasst:
| Kritikpunkte | Forderungen |
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| Mangelnde Einbindung der klinisch tätigen Experten | Routine- und verbindliche Einbindung ins Entscheidungsgremium |
| Fehlende Einbindung der Patienten für seltene Erkrankungen | Verpflichtende Einbindung der Europäischen Referenznetzwerke und Patientenexperten |
| Rechtliche Unsicherheit der Entscheidungen | Klare Regelung zur Bindungswirkung und Einspruchsmöglichkeiten |
| Verzögerungen bei neuen Therapien | Frühzeitige Bewertung neuer Therapien basierend auf dem Horizon Scanning |
| Herausforderungen bei der Versorgung mit Arzneimittelspezialitäten | Klare Regelungen für den Medikamenteneinkauf und ausreichende Budgets |
Es bleibt abzuwarten, wie das Bewertungsboard angepasst wird, um die genannten Kritikpunkte zu berücksichtigen und eine optimale Versorgung bei seltenen Erkrankungen sicherzustellen.
Quelle: Pressemitteilung PHARMIG ACADEMY, „Baustelle Bewertungsboard: Fragiles Fundament für spezialisierte Arzneimittel bei seltenen Erkrankungen“
Quelle: PHARMIG / ots