Lindau (Bodensee)Wirtschaft

Protest gegen Pestizid-Erhöhung: BUND warnt vor Schneewittchenäpfeln

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit plant am 24. August 2024, die Grenzwerte für das umstrittene Pestizid Folpet in Obst, insbesondere in der Bodensee-Region, auf das 20-fache zu erhöhen, was vom Umweltverband BUND stark kritisiert wird, da dies gesundheitliche Risiken birgt und die Umwelt gefährdet.

Ein Thema, das momentan in der Landwirtschaft heftig diskutiert wird, ist der geplante Anstieg der Grenzwerte für das umstrittene Pestizid Folpet. Diese Maßnahme wird vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorgeschlagen, um den Obstbauern im Bodenseegebiet zu ermöglichen, ihre Ernte vor Schorf zu schützen. Doch der Umweltverband BUND übt scharfe Kritik daran.

In der Bodensee-Region, die als zweitgrößtes Obstanbaugebiet Deutschlands gilt, sind die Obstbauern stark von Wetterbedingungen abhängig. Besonders in diesem Jahr hat der hohe Niederschlag zu einem Anstieg der Schorffälle bei Kernobst geführt. Diese Ernteproblematik könnte für viele Landwirte existenzbedrohend sein, da Schönheitsfehler wie Schorf unter den Konsumenten oft als unakzeptabel gelten.

Umstrittene Notfallgenehmigung

Aufgrund dieser Herausforderungen plant das BVL, den Grenzwert für Rückstände von Folpet in Obst von 0,3 auf 6 Milligramm pro Kilogramm anzuheben. Dies entspricht einer Erhöhung um das 20-fache und wird als „Notfallgenehmigung“ kategorisiert. Kritikern zufolge ist der Einsatz von Folpet jedoch fatal, da es als möglicherweise krebserregend gilt und zudem hochgiftig für Wasserorganismen ist.

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Um die Sorgen der Obstbauern zu verstehen, muss man die Herausforderung beleuchten, die konventionelle Landwirtschaft mit sich bringt. Viele Spritzmittel, die normalerweise zur Schorfbekämpfung eingesetzt werden, sind aufgrund von Vorschriften nicht mehr verfügbar. Ein Beispiel dafür ist Dithianon, dessen Einhaltung einer Wartezeit von 42 Tagen nicht realisierbar ist. Auch das Fungizid Captan steht nicht zur Verfügung, da es durch Abdrift die Hopfenfelder in der Umgebung gefährden könnte. Der Export von Hopfen in Länder wie die USA und Japan wäre ernsthaft bedroht, weil diese Länder strikte Nulltoleranzen gegenüber Rückständen haben.

Die BUND-Expertin Corinna Hölzel kritisiert diese Praxis scharf. Sie bezeichnet den aktuellen Plan als fahrlässig und macht darauf aufmerksam, dass es Alternativen gibt, um mit den Schorfproblemen umzugehen. Der BUND fordert, dass der Lebensmittelhandel und die Konsumenten ein Umdenken vollziehen sollten: „Schorf ist hauptsächlich ein ästhetisches Problem“, so Hölzel.

Blick auf alternative Lösungen

Statt sich auf die Zulassung gefährlicher Pestizide zu konzentrieren, betont Hölzel, dass der Anbau widerstandsfähigerer Obstsorten und die Förderung natürlicher Bewirtschaftungsmethoden eine nachhaltige Alternative darstellen. Ein Weg wäre, regelmäßig Baumschnitte durchzuführen und das Falllaub zu entfernen, in dem Schorfsporen überwintern.

Ungeachtet dieser kritischen Stimmen hält das BVL an seiner Position fest, dass Notfallgenehmigungen notwendig sind, wenn andere Wege nicht mehr praktikabel sind. Sie betonen, dass die menschliche Gesundheit durch diese Maßnahmen nicht gefährdet werden solle. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Bedenken des BUND, der fürchtet, dass solche Grenzwertanhebungen langfristige gesundheitliche Risiken für die Verbraucher bedeuten könnten.

In der agrarischen Debatte wird die Frage aufgeworfen, wie weit die Notwendigkeit der Landwirte und die Gesundheit der Verbraucher abgewogen werden können. Die Pläne des BVL haben die Widerstände in der Gesellschaft offenbart und zeigen, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit Chemikalien in der Landwirtschaft ist.

Die Auswirkungen auf die Umwelt und die Biodiversität

Die Zulassung von Pestiziden wie Folpet birgt signifikante Risiken für die Umwelt. Folpet ist als hochgiftig für Wasserorganismen eingestuft, was bedeutet, dass es potenziell erhebliche Auswirkungen auf Gewässer und die dortige Biodiversität haben kann. Dies ist besonders relevant in der Bodenseeregion, die von vielen ökologischen Systemen abhängt, darunter das empfindliche Zusammenspiel von Flora und Fauna in der Umgebung des Sees.

Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln die Populationen von nützlichen Insekten wie Bienen und Schmetterlingen verringern kann. Diese Insekten spielen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung von Obstbäumen. Ein Rückgang ihrer Population könnte langfristig auch die Obstproduktion beeinträchtigen, was zu einer Abhängigkeit von immer mehr chemischen Lösungen führt.

Ökologische Alternativen und ihre Potenziale

Die Diskussion über den Einsatz von Folpet hebt die Notwendigkeit hervor, alternative Anbaumethoden zu fördern, um die Gesundheit der Umwelt zu schützen. Beispielsweise bieten integrierte Pflanzenschutzstrategien, die auf der Kombination von biologischen, chemischen und agronomischen Maßnahmen basieren, nachhaltigere Ansätze zur Bekämpfung von Schorf.

Zusätzlich gibt es Ansätze wie die Förderung von Mischkulturen oder den Anbau resistenter Sorten, die weniger anfällig für Krankheiten sind. Solche Lösungen könnten helfen, die Abhängigkeit von Pestiziden zu verringern und die Biodiversität zu fördern.

Regulatorische Rahmenbedingungen und öffentliche Gesundheit

Der Entwurf zur Erhöhung des Grenzwertes für Folpet-Rückstände wirft auch Fragen zur öffentlichen Gesundheit auf. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) müssen Rückstandshöchstwerte so gesetzt werden, dass sie einen ausreichenden Schutz für Verbraucher bieten. Es obliegt den Behörden, sicherzustellen, dass die öffentlichen Gesundheitsrisiken durch den Einsatz von Pestiziden richtig eingeschätzt werden.

Die Kritik des BUND und anderer Umweltorganisationen legt nahe, dass eine Erhöhung der Grenzwerte nicht nur die Sicherheit der Verbraucher gefährden kann, sondern auch das Vertrauen in die Lebensmittelsicherheit insgesamt beeinträchtigt. Dies könnte langfristig auch wirtschaftliche Auswirkungen auf den Lebensmitteleinzelhandel haben, wenn Verbraucher Produkte, die als gesundheitlich bedenklich gelten, meiden.

Langfristige wirtschaftliche Perspektiven

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Pestizidverwendungen sind vielschichtig. Während die sofortige Erhöhung des Grenzwertes und die Notfallgenehmigungen den Landwirten kurzfristige Erleichterungen verschaffen können, könnten langfristig gesundheitliche Bedenken und Umweltprobleme zu höheren Kosten führen. Verbraucher könnten zunehmend auf Bio-Produkte umsteigen, was die Nachfrage nach chemisch behandelten Obstsorten senken würde.

Studien zeigen, dass nachhaltige Landwirtschaft langfristig profitabler sein kann, da sie den Betriebskosten senkt und gleichzeitig die Marktchancen durch steigende Nachfrage nach ökologischen Produkten erhöht. Für die Bodenseeregion könnte eine stärkere Ausrichtung auf nachhaltige Anbaumethoden nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile bringen.

– NAG

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