Berlin – Der deutsche Politikbetrieb steckt einmal mehr in der Krise: Nach dem endgültigen Scheitern der Migrationsgespräche zwischen der Ampel-Regierung und der Union hat FDP-Chef Christian Lindner jetzt einen neuen Anlauf gefordert. Auf der Plattform X schlägt er vor, dass Unionsfraktionschef Friedrich Merz, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zusammenkommen sollten, um die angespannten Verhältnisse in der Migrationspolitik zu klären. Lindner betonte, dass die Absage der Union an den Asylgipfel nicht das letzte Wort sein darf, und forderte ein gemeinsames Vorgehen: «Wir werden gemeinsam das Problem lösen.»
Die Spannungen zwischen den politischen Lagern sind spürbar. Während die Ampel-Koalition den Unionsvertretern Verantwortungslosigkeit vorwirft, werfen die Konservativen der Regierung mangelnden Willen vor, illegale Migration zu begrenzen. Der aktuelle Streit wird auch das bevorstehende Rededuell zwischen Lindner und Merz bei den Haushaltsberatungen im Bundestag prägen. Merz hat die Gespräche als gescheitert erklärt, nachdem es in der letzten Woche und am Dienstag Meetings ohne die beiden Spitzenpolitiker gab. Auf der Seite der Ampel-Politiker nahmen Innenministerin Nancy Faeser sowie weitere Minister teil, während die Union durch Thorsten Frei vertreten war.
Scholz kritisiert Union scharf
Kanzler Scholz nutzte kürzlich eine Rede beim Sommerfest des Seeheimer Kreises, um die Union zu kritisieren. Er bezeichnete das Abbrechen der Gespräche als «blamabel» und rief zur Verantwortung auf. «Führung sieht anders aus», stellte er klar und verwies auf die Notwendigkeit von Charakter und Ehrlichkeit in der Politik. Zudem wurde die Union von Annalena Baerbock, der Grünen-Außenministerin, als wenig kooperationsbereit charakterisiert, während Grünen-Chef Omid Nouripour von einem «Schmierentheater» sprach.
Zusätzlich zur scharfen Kritik an der Union gibt es Forderungen aus der Union selbst, die auf eine drastische Wende in der Migrationspolitik abzielen. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein erklärte, es sei notwendig, ein «Stoppschild an den deutschen Grenzen» einzuführen, da die Belastungsgrenze des Landes erreicht sei. Merz forderte vor den gescheiterten Gesprächen umfassende Zurückweisungen an den Staatsgrenzen, was von der Ampel-Koalition jedoch abgelehnt wurde.
Entwicklungen der Gespräche
Die Migrationsgespräche waren als Reaktion auf einen mutmaßlich islamistischen Messeranschlag in Solingen intensiviert worden. Innenministerin Faeser hatte in den Verhandlungen ein Modell vorgeschlagen, dass eine schnellere Rückführung von Asylbewerbern in zuständige EU-Staaten ermöglichen würde. Justizminister Buschmann hingegen plädierte für ein Festhalten von Personen im grenznahen Raum, um zu verhindern, dass diese erneut versuchen, einzureisen.
Auf der anderen Seite sieht die Union in Faesers Vorschlag eine verworrene Lösung, die sowohl die Justiz als auch die Bundespolizei erheblich belasten könnte. Minister Rhein mahnte zur Eile, da der Vorschlag komplizierte Verfahren mit ungewissem Ausgang impliziere. Währenddessen bemängeln SPD und Grüne rechtliche Aspekte, die es problematisch machen würden, Menschen, die Asyl suchen, direkt an der Grenze zurückzuweisen.
Christian Dürr von der FDP forderte die Union auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um über die eigenen Modelle zu diskutieren. Dies gerät jedoch ins Wanken, da Union und Ampel-Politiker sich gegenseitige Vorwürfe machen, ohne einen gemeinsamen Konsens zu finden.
Eine intensive Debatte ist auch bei der bevorstehenden Generaldebatte zum Haushalt zu erwarten, die traditionell von Merz eröffnet wird. Scholz wird danach das Wort ergreifen. Diese Debatte wird eine wichtige Gelegenheit für die Opposition sein, um der Regierungspolitik die Leviten zu lesen und auf die aktuelle Migrationskrise hinzuweisen.