Die Landesregierung Schleswig-Holsteins plant derzeit eine umfassende Reform der Gerichtsstruktur, die sowohl innerhalb der Justiz als auch außerhalb auf heftige Kritik stößt. Diese Initiative, die Teil eines Sparprogramms ist, sieht unter anderem die Zusammenlegung der bestehenden Sozial- und Arbeitsgerichte vor. Betroffen sind unter anderem die Sozialgerichte in Itzehoe, Kiel, Lübeck und Schleswig, sowie die Arbeitsgerichte in Elmshorn, Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster.
Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) rechtfertigte die Reformmaßnahmen mit der angespannten Haushaltslage des Landes. Es wurde betont, dass viele Gerichte unter einem erheblichen Sanierungsstau leiden und ihre Standorte oft nicht mehr aufrechterhalten werden können. Die Zusammenlegung zielt darauf ab, eine zentrale und gut erreichbare Gerichtsinfrastruktur zu schaffen, um die Effizienz der Justiz zu steigern. Nach den Plänen soll das Finanzgericht von Kiel künftig in Schleswig untergebracht werden, und die Maßnahmen sollen bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2027 umgesetzt sein.
Kritik aus verschiedenen Richtungen
Die Reaktionen auf die Reformpläne sind überwiegend negativ. Der Richterverband Schleswig-Holstein äußerte heftige Kritik und warf der Regierung vor, die massenhafte Versetzung von mehreren Hundert Beschäftigten ohne vorherige Konsultationen durchführen zu wollen. Christine Schmehl, die Vorsitzende des Richterverbands, beschrieb diese Kommunikationsweise als veraltet und unangebracht. Sie zweifelt zudem an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Reform, da keine transparenten Informationen über die Investitionen vorliegen.
Zusätzlich äußerte sich Michael Burmeister von der „Neuen Richtervereinigung“ ebenfalls kritisch. Für ihn sind die Pläne ein „Schlag ins Gesicht der Justiz“. Er verweist darauf, dass die Veränderungen nicht nur die Mitarbeiter betreffen, sondern auch erheblichen Einfluss auf die Bürger haben könnten, die nun längere und teurere Wege in Kauf nehmen müssten, um ihre rechtlichen Angelegenheiten zu klären.
Die Situation an den Sozialgerichten ist bereits angespannt, da sich die Wartezeiten für die Bürger enorm verlängert haben. Der Landesvorsitzende des Sozialverbands Schleswig-Holstein, Alfred Bornhalm, berichtete, dass Wartezeiten von über zwei Jahren mittlerweile an der Tagesordnung sind. Diese Gerichte sind zuständig für entscheidende Rechtsstreitigkeiten, die beispielsweise die Gesundheit oder den Behindertenstatus der Bürger betreffen.
Politische Reaktionen
Die Opposition im Landtag reagierte umgehend auf die Reformpläne. So brachte die SPD einen Dringlichkeitsantrag ein, der während einer Sitzung angenommen wurde. Marc Timmer, der justizpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, bezeichnete die Pläne als „Holzhammermethode“ und äußerte, dass eine solche drastische Umstrukturierung die Beschäftigten unnötig belaste. Auch die FDP zweifelt daran, dass durch die Zentralisierung der Fachgerichte tatsächlich Einsparungen möglich sein werden. Bernd Buchholz, der justizpolitische Sprecher der FDP, brachte ernsthafte Bedenken zur Sprache.
Der Vorsitzende der SSW-Landtagsfraktion, Lars Harms, merkte an, dass die Welle der Kritik nicht überraschend sei und dass die fehlende Einbeziehung der Betroffenen bei der Planung der Maßnahmen zu dieser negativen Reaktion geführt habe.
Auf die negativen Rückmeldungen hin kündigte Justizministerin von der Decken an, dass ein Anhörungsprozess zur geplanten Strukturveränderung gestartet werden soll. Sie drückte ihr Bedauern aus, dass den Justizmitarbeitern dieser Schritt zugemutet werden muss, und stellte klar, dass die Reform aus der Notwendigkeit resultiert, die Justiz zu modernisieren und effizienter zu gestalten.
Zusätzlich wird die zunehmende Belastung der Gerichte durch steigende Fallzahlen, insbesondere durch eine Zunahme von Asylverfahren, thematisiert. Der Druck auf die Sozialgerichte wächst stetig, was zusätzliche Herausforderungen für die geplanten Reformen darstellt. Der Sozialverband VdK Nord fordert von der Landesregierung dringend Lösungen, da sich die Bearbeitungszeiten der Verfahren weiterhin verlängern.
Während die Diskussion um die geplanten Reformen weitergeht, beobachten viele die Entwicklung mit einem kritischen Blick. Die anhaltenden Bedenken der juristischen Fachwelt und der Öffentlichkeit stellen eine Herausforderung für die schleswig-holsteinische Landesregierung dar, die nun in der Pflicht steht, auf die Bedenken der Betroffenen einzugehen und eine transparentere und dialogorientierte Vorgehensweise zu wählen.