In Thüringen hat der Landtag seine konstituierende Sitzung nach einem chaotischen ersten Anlauf erfolgreich durchgeführt. Bei diesem zweiten Versuch gab es weder Zwischenrufe noch Beschimpfungen, doch die Situation war nicht einfach. Das Thüringer Verfassungsgericht musste eingreifen, um das Parlament arbeitsfähig zu machen, nachdem eine Machtprobe zwischen der AfD und der parlamentarischen Mehrheit zu Spannungen geführt hatte. Diese Ereignisse werfen ein Licht auf die Herausforderungen, vor denen die demokratischen Institutionen in Deutschland stehen, und deuten darauf hin, dass dies nicht der letzte dieser Art Stresstest sein wird.
Die AfD hat bei den letzten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg bemerkenswerte Erfolge erzielt, mit etwa 30 Prozent der Stimmen in jedem dieser Bundesländer. In Erfurt und Potsdam hat die Partei sogar eine Sperrminorität erreicht, was bedeutet, dass sie mehr als ein Drittel der Mandate hält. Dies gibt ihr die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen zu blockieren, wie zum Beispiel die Wahl von Verfassungsrichtern. Dies könnte sich als problematisch erweisen, da gerade das Thüringer Verfassungsgericht gegen die AfD entschieden hat. Politologe Frank Decker äußerte sich dazu und betonte, dass die AfD offenkundig bereit ist, ihre Macht zu nutzen, um obstruktive Politiken zu verfolgen.
Konflikt um die Präsidentschaft des Landtags
Der Konflikt rund um die Landtagspräsidentschaft in Thüringen drehte sich um die Frage, ob die AfD als stärkste Fraktion das Recht hat, den Landtagspräsidenten zu stellen. Die Partei beruft sich auf ein vermeintliches „Verfassungsgewohnheitsrecht“, während die anderen Parteien darauf hinweisen, dass die Wahl eines Präsidenten nur durch eine Mehrheit legitimiert werden kann. Bei der ersten Wahl am Donnerstag kam es zu einem Durcheinander, das die Spannungen zwischen den Parteien verdeutlichte.
In Brandenburg sieht die Lage etwas anders aus. Dort ist die AfD lediglich die zweite Kraft und die Regierungsmehrheit hat entsprechende Vorkehrungen getroffen, um solchen Machtkämpfen zuvorzukommen. SPD-Fraktionschef Daniel Keller betont, dass man die Landesverfassung geändert habe, um die Besetzung des Landtagspräsidiums transparent zu gestalten.
Die Frage der Wähler legitimiert die AfD
Die Lage wirft die grundlegende Frage auf, ob die etablierten Parteien das Wählervotum der AfD ignorieren. Parteichefin Alice Weidel äußerte auf X, dass sie besorgt sei, wenn das Wählervotum nicht ernst genommen werde und die politische Landschaft einem Einheitsbrei gleichen würde. Dabei zeigt sich jedoch, dass ein Großteil der Wählerschaft in Thüringen, Sachsen und Brandenburg nicht für die AfD stimmte. Aktuelle Umfragen belegen, dass mehr als zwei Drittel der Wähler nicht hinter der Partei stehen, die im Bundestag nur 10,4 Prozent der Stimmen erhalten hat.
Politikwissenschaftler André Brodocz macht deutlich, dass die AfD in der Minderheit bleibt und dass ihr Verhalten den demokratischen Prinzipien zu widerlaufen scheint. Die politischen Konflikte stärken die Ansichten innerhalb der eigenen Anhängerschaft und führen zu einer Skandalisierung von Entscheidungen, die die Partei nicht akzeptiert. Hierbei wird häufig der Eindruck vermittelt, dass der AfD möglicherweise unfair behandelt werde.
Die AfD hat jedoch in der Vergangenheit juristisch oft das Nachsehen gehabt. Entscheidungen des Thüringer Verfassungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts waren unvorteilhaft für die Partei, die stets versucht hat, sich eine stärkere Position zu erkämpfen. Insbesondere die Klage gegen die Nichtwahl eines Vizepräsidenten im Bundestag wurde abgelehnt, und das Recht auf gleichberechtigte Vertretung wurde auf die Wahl durch andere Abgeordnete beschränkt. In Thüringen gestalten sich die künftigen Auseinandersetzungen damit komplex.
In den kommenden fünf Jahren müssen alle Verfassungsrichter in Thüringen mit einer Zweidrittelmehrheit vom Landtag gewählt werden. Politologe Brodocz weist darauf hin, dass es unumgänglich sein wird, Gespräche mit der AfD zu führen, da ihre Sperrminorität erhebliche Auswirkungen auf den Wahlprozess haben könnte. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dies die politische Agenda beeinflussen wird und ob die Parteien in der Lage sind, zurück zu einer sachlichen Diskussion zu finden, um den Rechten der AfD wirklich gerecht zu werden.
Das Thema wird auch auf Bundesebene weiter diskutiert, da jüngste Bestrebungen des Bundesrats, das Grundgesetz zu ändern, das Ziel verfolgen, die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Gerichte zu sichern. Inmitten dieser politischen Unruhen bleibt die Frage offen, wie Deutschlands demokratische Prozesse in den kommenden Jahren aussehen werden, und ob die AfD in der Lage sein wird, ihren Einfluss weiterhin geltend zu machen.