Leoben

Hunger und Protest: Die schweren Jahre der Steiermark nach dem Ersten Weltkrieg

Hungern auf den Straßen von Leoben: Frauen kämpfen verzweifelt um Milch für ihre Kinder – der Januar 1918 wird zum Symbol für die bittere Not in der Steiermark nach dem Ersten Weltkrieg!

Die Spuren der Vergangenheit führen uns zurück in eine Zeit großer Not und elender Hungersnot, die die Steiermark in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heimsuchte. Besonders der Erste Weltkrieg hinterließ in der Region ein Land voller Trauer und wirtschaftlicher Verwüstung. Arbeitslosigkeit grassierte, und die Bewohner mussten tagtäglich um das Überleben kämpfen, während die soziale Ordnung, wie sie zuvor bekannt war, zerbrach.

Im Januar 1918 standen verzweifelte Frauen in Leoben stundenlang in Schlangen, nur um einen Schluck Milch für ihre hungrigen Kinder zu ergattern. Ihre Bemühungen blieben vergeblich, und der Hunger der Bevölkerung führte bald zu einem Aufstand, als eine unhaltbare Situation erreicht wurde. Für das kämpfende Volk war es nur eine Frage der Zeit, bis sie auf die Barrikaden gehen würden, um gegen das Unrecht ihrer Bedürfnisse zu protestieren.

Historische Wurzeln des Hungers

Die Geschichte des Hungers ist kein neuer Aspekt; die Steiermark hat schon oft unter der Knappheit gelitten. Informiert man sich über die Vergangenheit, erkennt man, dass eine vollgefüllte Speisekammer in Krisenzeiten kein Selbstverständnis war. So führte auch der Dritte Koalitionskrieg im Jahr 1805 zu einer rasanten Preiserhöhung. Zölle wurden verdoppelt, und staatlich regulierte Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot und Fleisch führten nur zu Verwirrung und Unrecht. Die Bevölkerung hatte zu kämpfen, um gegen diese Bedingungen zu bestehen.

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Die Situation eskalierte, als 1815 der Vulkanausbruch des Tamboras in Indonesien das Weltklima durcheinanderbrachte und einen kalten Sommer in Europa bewirkte. In der Steiermark fiel der Regen in Strömen und die Ernten für die Landwirte blieben aus. Die Preisexplosion für die wenigen verfügbaren Nahrungsmittel führte dazu, dass Familien alles opferten, um das Nötigste für ihren Lebensunterhalt zu erhalten. Es war ein verzweifeltes Überleben in einer Zeit des Hungers.

Der Historiker Robert Baravella berichtete von den Zuständen in Leoben: Zollbeamte waren vom Hunger so entkräftet, dass sie ihren Dienst nicht verrichten konnten. Selbst ein einfaches Gericht wie die „Schottensuppe“ war für viele unerschwinglich. Während die Regierung zögerte, gegen die Preissteigerungen vorzugehen, verschärften Wucher und Spekulationen die Notlage weiter. Der Kampf ums Überleben prägte die Gesellschaft und führte zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Der Erdapfel und die Hungersnot

Inmitten der Hungersnot erwies sich ein unerwarteter Retter als entscheidend: der Erdapfel. Erzherzog Johann erkannte das Potenzial der Kartoffel und sorgte für deren Verbreitung in der Steiermark. Dank seiner Initiative wurden nicht nur neues Saatgut bereitgestellt, sondern auch Anbauflächen gepachtet, um den Kartoffelanbau zu fördern. Diese Maßnahmen erwiesen sich als Segen für die hungrige Bevölkerung und förderten die Entwicklung neuer Ernährungsquellen.

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Die Kartoffel wurde schnell zum Lebensmittel erster Wahl, was die karge Ernährung erheblich verbesserte. Bis 1829 war der Anbau in der gesamten Steiermark etabliert, und die Menschen lernten, diese einst verachtete Pflanze zu schätzen. Sie wurde zum Grundnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerungsteile und half, die Not ein Stück weit zu lindern.

Während die Kartoffel und andere neue Nahrungsquellen das Überleben sicherten, blieben die sozialen Probleme bestehen. Die „Hungerunruhen“ in der Obersteiermark zeigen, wie stark der Druck auf die Bevölkerung war. Unruhen resultierten aus Unterernährung, und die Wut auf die mangelhafte Unterstützung der Regierung eskalierte. Polizeiliche und militärische Maßnahmen wurden eingesetzt, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, ohne jedoch die wahre Notlage der Menschen zu erkennen.

Die Kinder litten unter der Misswirtschaft am meisten. Unterernährung war verbreitet, und ein Großteil der Bevölkerung war in einem geschwächten Zustand, was zu erhöhten Sterberaten bei jungen Menschen führte. Die Sterbebücher der Zeit belegen, dass viele Kinder und Erwachsene vorzeitig starben, weil ihnen schlichtweg die Nahrung fehlte.

Die Erinnerung an den Hunger in der Steiermark bleibt geprägt von schmerzlichen Erfahrungen und verstärkt den Blick auf die Abhängigkeit einer Gesellschaft von stabilen Nahrungsressourcen. Selbst in den nachfolgenden Jahrzehnten bis zum Zweiten Weltkrieg blieb das Thema Hunger ein ständiger Begleiter. Berichte aus Donawitz zeigen, dass hungernde Menschen das Bürgermeisteramt stürmten, um gegen ihre missliche Lage zu protestieren und Hilfe zu fordern, da selbst Kinderheime vor dem Verhungern standen.

All diese Geschehnisse verdeutlichen, dass der Kampf um Nahrung und Überleben tief in der Geschichte der Steiermark verwurzelt ist. Es ist eine Geschichte von Hoffnung, gleichzeitig aber auch des Schmerzes und der Not, die viele Generationen geprägt hat.

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