In dem fesselnden neuen Roman „Zitronen“ von Valerie Fritsch wird das komplexe und oft verstörende Thema des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms behandelt. Fritsch zeichnet ein eindringliches Bild von einer Liebe, die emotionalen und physischen Druck erzeugt und die betroffene Person in eine tragische Abhängigkeit führt. Die Geschichte folgt dem Protagonisten August Drach, der auf tragische Weise in einem Zuhause aufwächst, das sowohl ein Ort der Sicherheit als auch des Schreckens ist.
Eine Kindheit zwischen Liebe und Grauenz
August Drach lebt in einem Haus am Rand seines Dorfes, einem Ort, der für ihn wie Hölle und Paradies zugleich wirkt. Während der Vater, der von brutaler Natur ist, keine Zuneigung für seinen Sohn zeigt, wendet sich August die grausame Zuwendung seiner Mutter zu. Diese versorgt ihn zunächst liebevoll, aber als der Vater die Familie verlässt, schlägt ihr Verhalten um. Sie beginnt, heimlich Medikamente ins Essen des Jungen zu mischen, um ihre eigene Bedürftigkeit nach Aufmerksamkeit zu stillen. Dabei verletzt sie ihn, was die Tragik seiner Kindheit verstärkt und ihn in körperliche und seelische Abhängigkeit drängt.
Die Wirkung von Fritschs Erzählstil
Der Roman besticht durch Fritschs sprachgewaltige Darstellung der Konflikte, die aus der Beziehung zwischen Liebe und Grausamkeit entstehen. Die Herausforderungen, denen sich August Drach gegenübersieht, als er versucht, im Erwachsenenleben das Rätsel seiner Kindheit zu entschlüsseln, bilden den emotionalen Kern der Geschichte. Die Leserinnen und Leser fragt Fritsch, wie man den Kreislauf von Lügen und Betrügen durchbrechen kann, und was passiert, wenn man den Mut findet, sich den Wurzeln seines Schmerzes zu stellen.
Informationen zur Lesung
Die Lesung aus „Zitronen“ findet im Rahmen der LiteraTour Nord statt, einem Projekt, das sich der Förderung der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur widmet. Matthias Lorenz wird als Moderator durch die Veranstaltung führen. Er ist Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Leibniz Universität Hannover sowie Extraordinary Professor an der Stellenbosch University in Südafrika. Da Lorenz über umfassende Kenntnisse in der Literaturwissenschaft verfügt, wird er in der Lage sein, insightful Fragen zu stellen und eine lebendige Diskussion über die Themen des Buches zu führen.
Die Bedeutung der „LiteraTour Nord“
Die „LiteraTour Nord“ bringt Literaturschaffende mit ihrem Publikum zusammen und vereint dabei Kultureinrichtungen, Buchhandlungen und Hochschulen in einem gemeinsamen Projekt. Dieses Jahr stehen fünf renommierte Autorinnen und Autoren im Mittelpunkt, die ihre Werke vorstellen und mit den Zuhörerinnen und Zuhörern ins Gespräch kommen. Am Ende der Tour haben die Besucher die Möglichkeit, über den Preis der LiteraTour Nord abzustimmen, was zusätzlich zur Interaktivität und zur Bedeutung der Veranstaltung beiträgt.
Über Valerie Fritsch
Valerie Fritsch ist eine in Graz und Wien lebende Autorin, die für ihre beeindruckende Erzählweise und die Betrachtung tief menschlicher Themen bekannt ist. Sie wurde 2015 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Kelag-Preis sowie dem Publikumspreis ausgezeichnet. 2020 erhielt sie den Brüder-Grimm-Preis für Literatur. Ihre Erfolge und Auszeichnungen spiegeln ihr Talent wider, emotionale Komplexität in Worte zu fassen.
Ein tiefgehendes Thema
Die Erzählung von Valerie Fritsch bietet nicht nur einen Einblick in die belastenden Erfahrungen eines Kindes, das unter psychischen und physischen Krankheiten einer missbräuchlichen Bezugsperson leidet, sondern wirft auch Fragen zu den Auswirkungen solcher Erlebnisse im Erwachsenenleben auf. „Zitronen“ ermutigt die Leser, über die dynamischen Beziehungen in ihrem eigenen Leben nachzudenken und sich mit den Themen Abhängigkeit und Heilung auseinanderzusetzen. Fritsch ermutigt dazu, sich mit der eigenen Kindheit auseinanderzusetzen, um die inneren Konflikte zu verstehen und möglicherweise zu überwinden.