In Graz könnte ein aufregendes Kapitel in der Geschichte der klassischen Musik aufgeschlagen werden. In den Archiven des Steiermärkischen Landesarchivs wurde eine Entdeckung gemacht, die das Potenzial hat, die Auffassung über Wolfgang Amadeus Mozarts Werk zu erweitern. Die sogenannten „Mailänder Variationen“, die bisher nicht als ein Werk Mozarts anerkannt waren, haben nun durch eine umfassende Untersuchung ihre Identität als potenzielles Werk des großen Komponisten erlangt. Dies könnte das musikalische Erbe Mozarts um ein weiteres faszinierendes Stück bereichern.
Im Köchelverzeichnis, das als maßgebliche Sammlung von Mozarts Kompositionen gilt, tauchen die „Mailänder Variationen“ auf, allerdings ohne eine zugehörige Nummer. Dies liegt daran, dass sie in der Musikwissenschaft lange als „unmozartisch“ angesehen wurden. Der deutsche Wissenschaftler Carsten Wollin hat nun jedoch überzeugende Beweise geliefert, die das Werk eindeutig Mozart zuordnen.
Hintergrund und Entstehung der Variationen
Die „Mailänder Variationen“ entstanden im Jahr 1771, als der junge Mozart gerade einmal 15 Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt fand in Mailand die Hochzeit von Erzherzog Ferdinand Karl, dem vierten Sohn der Kaiserin Maria Theresia, mit Maria Beatrice d’Este statt. Für die Feierlichkeiten komponierte Mozart die Oper „Ascanio in Alba“. Die Variationen, die gleichzeitig entstanden, blieben jedoch bisher unbeachtet und die Urheberschaft war weitgehend unbekannt.
Interessanterweise sind diese Klavierstücke nur dreimal in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt worden und sind seit mehr als zweieinhalb Jahrhunderten nicht mehr aufgeführt worden. Ihre Auffindung schließt somit eine wichtige Lücke in der Schaffensperiode Mözarts, aus der bislang keine weiteren Klavierwerke bekannt sind. Die Variationen kamen also zu einer Zeit, in der Mozarts musikalische Entwicklung noch in vollem Gange war und bieten damit einen faszinierenden Einblick in seine frühen Schaffensphasen.
Die Manuskripte und deren Bedeutung
Das Manuskript der „Mailänder Variationen“ ist Teil der „Lannoy-Sammlung“, die nach dem Sammler Heinrich Eduard Josef von Lannoy benannt ist, der im Jahr 1853 verstarb. Diese Sammlung enthält wertvolle musikalische Stücke und zeigt die Bedeutung der Entdeckung für die Musikwissenschaft. Die Erstveröffentlichung dieser Variationen sowie die begleitende wissenschaftliche Arbeit von Carsten Wollin über die Geschichte des Werkes sind kürzlich im Ortus Musikverlag erschienen. Die Publikation hat das Potenzial, eine neue Perspektive auf Mozarts weniger bekannte Werke zu eröffnen.
Die Auffindung der „Mailänder Variationen“ ist nicht nur eine wissenschaftliche Entdeckung, sondern könnte auch die Interpretationen und Aufführungen von Mozarts Musik beeinflussen. Das Bewusstsein über seine vielfältigen Talente und seine Innovationskraft wird sich dadurch weiter verfestigen, während Musikliebhaber und Wissenschaftler sich auf die Möglichkeit freuen, ein weiteres Werk aus dem reichen Komponistenleben Mozarts zu erleben. Wer weiß, vielleicht wird dieses Stück bald Teil von Konzertprogrammen oder musikalischen Aufführungen, die das Publikum in seinen Bann ziehen.