Christian Winkler beleuchtet in seinem neuesten Werk „Empire: Rooting for the Anti-Hero“ ein einzigartiges Kapitel aus der Geschichte des Grazer Sportklubs Straßenbahn. Das Festival steirischer herbst, das in Graz mit dem Motto „Horror Patriae“ aktuell gefeiert wird, bietet hier eine Plattform für kreative und historische Entdeckungsreisen. Eröffnet wurde das Festival mit einer Rede der Intendantin Ekaterina Degot, die das Thema Heimat und Fremdheit in den Fokus rückte.
Der Grazer Sportklub Straßenbahn, heute in der siebten nationalen Fußballliga aktiv, hat eine historisch bemerkenswerte Vergangenheit. Der Verein wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Beschäftigten der Grazer Verkehrsbetriebe gegründet und feierte zwischenzeitlich Erfolge in Indonesien. Diese Geschichte bildet den Rahmen für Winklers Inszenierung im Theater am Lend, das verschiedene Kunstformen mit einer besonderen musikalischen Untermalung vereint.
Ein Mix aus Fiktion und Realität
Winkler, auch bekannt als Regisseur Franz von Strolchen, führt die Zuschauer durch eine fiktive Reise, die sich anscheinend an realen Ereignissen orientiert. Er jongliert geschickt zwischen Fiktion und Fakten und lässt das Publikum im Ungewissen über die tatsächlichen historischen Begebenheiten. Die Erzählung umfasst auch eine Präsentation von überlieferten Dokumenten, einschließlich eines Tagebuchs, das von Marten Schmidt, einem der Darsteller, vorgetragen wird. Das Publikum wird mit in nostalgische Schwarz-Weiß-Fotos genommen, die einen Schimmer der Vergangenheit aufzeigen. Diese alten Bilder zeigen teilweise Elefanten und Männer in Anzügen, die eine Kolonialerfahrung widerspiegeln.
Mit Unterstützung eines Gamelan-Orchesters, bestehend aus Studierenden der Kunstuniversität Graz, wird das künstlerische Erlebnis abgerundet. Die traditionelle indonesische Musik fügt sich nahtlos in die Inszenierung ein und ergänzt die narrative Struktur von Winklers Stück. Das Ensemble bietet so eine Klanglandschaft, die sowohl nachdenklich als auch unterhaltsam ist.
Ein kritischer Blick auf Heimat
Die Aufführung spielt mit dem Begriff der Heimat und den damit verbundenen Klischees. Winkler schafft es dabei, den Verlangen nach Exotik und den Wunsch nach einem idealisierten Blick auf die Vergangenheit zu hinterfragen. Der Performer Suwandi, der als Figur in der Inszenierung auftritt, entpuppt sich bald als jemand, der selbst eine Verbindung zu Österreich hat, und somit das Konzept von Heimat und Exotik weiter in Frage stellt.
Diese Herausforderungen der Erwartungen gegenüber kulturellen Traditionen und deren Darstellung in der Kunst ziehen sich durch die gesamte Inszenierung. Winklers künstlerische Erzählweise lädt zu einer Reflexion über die Konstruktion von Identität und das Bewusstsein um die eigene kulturelle Herkunft ein. Die Aufführung stellt fest, dass die Figuren, die wir bewundern, nicht immer echt sind, sie sind oft Produkte unserer Fantasie.
Die Premiere von „Empire: Rooting for the Anti-Hero“ fand am 22. September 2024 im Theater am Lend statt und dauerte 1 Stunde 25 Minuten ohne Pause. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Verschmelzung von Theater, Musik und multikulturellen Narrative, was ein Gefühl für die Komplexität und die mehrschichtigen Dimensionen der menschlichen Erfahrung vermittelt. Mehr Informationen sind auf der offiziellen Webseite des Festivals steirischer herbst zu finden.