Graz

Die Pest in der Steiermark: Leid und Aberglaube im Mittelalter

In der Steiermark wütete 1679 die Pest, die über 20.000 Menschenleben forderte und mit Aberglaube und Untätigkeit der Behörden die Bevölkerung in Angst versetzte!

Die Pest, oft als „Schwarzer Tod“ bezeichnet, war in der Geschichte nicht nur eine Krankheit, sondern auch ein Ereignis, das tief in das Bewusstsein der Menschen eingrip. Diese hochansteckende Seuche hat nicht nur das Körperliche in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch die sozialen Strukturen ihrer Zeit stark erschüttert. Besonders die Steiermark war von mehreren Epidemien betroffen, die großen Einfluss auf die Bevölkerung und deren Lebensweise hatten.

Im Jahr 1347 wurde die Pest erstmals auf europäischem Boden registriert, nachdem sich infizierte Personen vermutlich über Schiffe aus dem Vorderen Orient in die bedeutenden Handelsstädte, wie England, Frankreich und Deutschland, eingeschlichen hatten. Obgleich das Wissen um die Ursachen der Krankheit äußerst rudimentär war, wurde sie von vielen als göttliche Strafe oder als Zeichen eines bevorstehenden Unheils interpretiert. Diese Zeit war geprägt von Aberglauben und der Suche nach einem Schuldigen. Mal waren es die vermeintlichen Sünden des Volkes, mal die jüdischen Gemeinden, die beschuldigt wurden, die Brunnen zu vergiften.

Pesterfahrungen in der Steiermark

Die Geissel der Pest hielt auch im Mittelalter gleich mehrere Wellen der Ansteckung bereit. Besonders verheerend war die Epidemie nach dem Dreißigjährigen Krieg, welche von Richard Peinlich im Jahr 1878 als die tödlichste seit Ende des 16. Jahrhunderts beschrieben wurde. Beunruhigende Vorzeichen kündigten sich bereits 1678 an. Diese Vorhersagen fanden schließlich ihren Ausdruck im Sommer 1679, als die Pest tatsächlich in die Steiermark einzog und mit Unterbrechungen bis 1683 wütete.

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Besonders bedrückend ist die Schätzung, dass etwa 47,5 Prozent der Bevölkerung des Herzogtums Steiermark ihr Leben durch die Krankheit verloren. Historiker wie Manfred Straka verweisen auf eine erschreckende Häufung der Sterblichkeit: Während im Jahr 1697 nur 471 Pesttote verzeichnet wurden, explodierte diese Zahl im Jahr danach auf über 7.700. Über die gesamte Epidemie wird von mehr als 20.000 Toten ausgegangen, was einen verheerenden Verlust für die Region darstellt.

Gesundheit und Hygiene

Die mangelnde Kenntnis über Hygiene, Ansteckung und Prävention führte dazu, dass die Pest ungehindert zuschlagen konnte. Zu diesen Zeiten konnte niemand erahnen, dass die Überträger der Krankheit Flöhe sind, die auf Ratten leben. Die Symptome der Krankheit, darunter hohes Fieber und schmerzhafte Beulen, wurden in Berichten jener Tage oft minutiös beschrieben. Peinlich berichtet von den quälenden Schmerzen und dem schnellen Verfall der Betroffenen, die oftmals nicht rechtzeitig behandelt wurden.

Als die ersten Anzeichen der Pest in Wien auftraten, war die Reaktion in Graz eher lau. Die Maßnahmen zur Eindämmung wurden zunächst zögerlich umgesetzt. Erst als die Zahlen drastisch anstiegen und Todesfälle vermehrt gemeldet wurden, begannen Behörden in Mürzzuschlag, Graz und anderen Städten, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen: Wächter an den Stadttoren und das Einrichten von Lazaretten wurden notwendig.

Verschiedene Gemeinden sahen die Pest als göttliche Strafe und reagierten mit religiösen Praktiken, um Gnade zu erlangen. In Leoben wurden Prozessionen abgehalten, während die Bewohner der Region Mürztal eine Kreuzsäule errichteten, um ihre Reue zu zeigen. Im überfüllten Wallfahrtsort Mariazell, der von Kaiser Leopold I. besucht wurde, erwies sich die Bevölkerung als besonders verletzlich, als die Seuche durch die begleitende Gefolgschaft eingeschleppt wurde.

Die Epidemien und ihre tödlichen Auswirkungen zeigten die Unsicherheiten der damaligen Zeit auf, erhellten jedoch auch, wie kulturelle und religiöse Überzeugungen das Handeln der Menschen beeinflussten. Die Pest stellte die Menschen vor enorme Herausforderungen und öffnete Fragen über Menschlichkeit, Religion und die Suche nach Schuldigen.

Wissen und Überlieferung

Die Pest in der Steiermark bleibt ein einschneidendes Kapitel in der Geschichte, das nicht nur als medizinisches, sondern auch als soziales Phänomen betrachtet werden sollte. Historische Aufzeichnungen, wie die von Richard Peinlich oder Manfred Straka, tragen dazu bei, dieses düstere Erbe zu verstehen und die Lehren daraus zu ziehen. Vorgegebene Strukturen der damaligen Gesellschaft zeigen, wie hilflos man angesichts einer solchen Krise war.

Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pest

Die Pest führte in der Steiermark, wie auch in anderen Regionen Europas, zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen. Das massive Sterben der Bevölkerung beeinflusste nicht nur die demografische Struktur, sondern auch die sozialen Hierarchien und den Arbeitsmarkt. Der Rückgang der Bevölkerung resultierte in einem Mangel an Arbeitskräften, was dazu führte, dass die noch lebenden Bauern und Arbeiter bessere Bedingungen verlangen konnten. Viele Grundherren sahen sich gezwungen, die Löhne zu erhöhen, um die Arbeit auf den Feldern zu sichern.

Darüber hinaus verstärkte die Seuche die ohnehin schon vorhandenen Spannungen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Die Schuldzuweisungen gegen die jüdische Bevölkerung nahmen zu, da sie wegen ihrer Marginalisierung und Isolation häufig als Sündenböcke für die Epidemie angesehen wurden. Diese Vorurteile hatten langfristige Auswirkungen und führten zu Verfolgungen und Pogromen. Die Pestperiode war somit nicht nur eine Zeit von Leiden und Verlust, sondern auch eine Phase, in der bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten verstärkt wurden.

Medizinische Erkenntnisse und Veränderungen

Die medizinischen Kenntnisse zur Zeit der Pest waren rudimentär. Die Menschen hatten nur begrenztes Verständnis für Krankheiten und deren Ursachen. Viele Ärzte waren nicht unabhängig in ihrem Denken und folgten meist den von der Kirche vorgegebenen Doktrinen, die häufig superstitionell und unwissenschaftlich waren. Die Annahme, dass Krankheiten Strafen Gottes seien, führte zu einem fatalistischen Umgang mit der Seuche und hinderte viele an effektiven Gegenmaßnahmen.

Nach der Pestwelle kam es jedoch zu einem Umdenken in der Medizin. Die schockierenden Erfahrungen und die hohe Sterblichkeit führten zu einer verstärkten Nachfrage nach medizinischem Wissen. In den folgenden Jahrzehnten begannen Wissenschaftler und Ärzte, systematische Studien zu Krankheiten durchzuführen und die Hygiene und medizinische Praktiken zu verbessern. Die Gründung von Lehrstühlen für Anatomie und Medizin in Universitäten nahm zu, was zur akademischen Professionalisierung der Medizin beitrug. Solche Entwicklungen ebneten den Weg für Fortschritte in der Epidemiologie und Hygiene, die sich erst Jahrhunderte später in den modernen medizinischen Praktiken niederschlugen.

Statistiken zur Pest in der Steiermark

Die Pest wütete in der Steiermark in mehreren Wellen, die demografische Daten zeigen die verheerenden Auswirkungen der Epidemie. Studien zeigen, dass die Bevölkerung des Herzogtums Steiermark im Jahr 1679 etwa 22 % niedriger war als vor der Epidemie. Man geht davon aus, dass die Pest epidemisch in mehreren Wellen um 1679, 1680 und 1683 auftrat, mit den höchsten Sterberaten zu Beginn der 1680er Jahre.

Die Schätzungen für die Prognosen der Sterblichkeit in der Steiermark variieren, aber Untersuchungen von Historikern wie Manfred Straka legen nahe, dass bis zu 50 % der Bevölkerung in einigen Gebieten an der Pest starben. Die genauen Zahlen sind schwer zu ermitteln, da Aufzeichnungen oft lückenhaft sind. Zudem gab es während der Epidemien erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Unterbrechungen, die die Überlebenden stark beeinflussten und die Wiederherstellung der Normalität der folgenden Generationen erschwerten.

Historische Vergleiche mit anderen Epidemien

Ähnliche Katastrophen traten auch im Laufe der Geschichte auf, als andere Krankheiten massive Teile der Bevölkerung dezimierten. Ein Beispiel ist die Spanische Grippe, die weltweit von 1918 bis 1919 Millionen Menschenleben forderte. Während die Pest im Mittelalter gegen den medizinischen Unfug kämpfte, hatten die Menschen während der Spanischen Grippe bereits ein besseres Verständnis für Viren und deren Übertragung. Dennoch führten beide Epidemien zu weitreichenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen und Veränderung von politischen Strukturen.

Ein weiterer Vergleich lässt sich mit der Choleraepidemie im 19. Jahrhundert ziehen, die zu erheblichen Veränderungen in der öffentlichen Gesundheitspolitik führte. In beiden Fällen stellte sich heraus, dass die Ursachen und Übertragungswege der Krankheit erst nach mehreren Epidemien verstanden wurden, was zu einer gesellschaftlichen Mobilisierung für Gesundheitsreformen führte. Diese Parallelen verdeutlichen die wiederkehrenden Muster in der Reaktion der Gesellschaft auf epidemische Erkrankungen und deren langfristige Auswirkungen.

Quelle/Referenz
meinbezirk.at

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