Die tief verwurzelte Tradition des Theaters findet in einem kleinen, aber engagierten Ort wie St. Georgen lebhaften Ausdruck. Hier, wie in vielen anderen Gemeinden in Österreich, wird die Zeitlosigkeit des Dramas „Jedermann“ wahrlich lebendig. Diese Inszenierung zieht nicht nur die örtliche Bevölkerung an, sondern weckt auch das Interesse jener, die normalerweise nach Salzburg zu den berühmten Festspielen reisen würden.
Ein tiefes kulturelles Erbe
„Jedermann“, ein Drama, das auf einem englischen Mysterienspiel aus dem 16. Jahrhundert basiert, wurde erstmals im Dezember 1911 im Berliner Zirkus Schuhmann aufgeführt. Die von Hugo von Hofmannsthal bearbeitete Vorlage ist komplett in Versen verfasst und weist eine mittelhochdeutsche Färbung auf. Diese einzigartige Mischung aus kultureller Tradition und tiefgründiger Thematik macht es zu einem besonderen Erlebnis, das Generationsübergreifend berührt.
Seit 1920 wird das Stück in Salzburg bei den Festspielen aufgeführt, doch die Wurzeln dieser Kunstform erstrecken sich weit über die großen Bühnen hinaus. Im Burgenland, insbesondere in Gemeinden wie Güssing oder Loretto, finden Laientheatergruppen ihren Platz, um dieses eindrucksvolle Stück zu präsentieren. Anpassungen des Textes in Prosa oder Dialekt bringen dem Publikum eine nahbare Interpretation, die sowohl humorvolle als auch ernste Akzente setzt.
Engagement und Gemeinschaftsgeist
Die Theateraufführungen in St. Georgen sind ein hervorragendes Beispiel für die Initiative und den Zusammenhalt der ehrenamtlichen Schauspieler. Die engagierte Gruppe der ÖVP Jugend Burgenland hat in den Nachkriegsjahren mit Laiendarstellern „Jedermann“ auf die Bühne gebracht. Josef Höld, der im Jahr 2023 verstorben ist, spielte eine zentrale Rolle in der Organisation dieser Veranstaltungen. Zusammen mit Dr. Richard Piaty, dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer von 1974 bis 1986, wurden Aufführungen an malerischen Orten wie dem Domgarten in Eisenstadt und der Burg Güssing ins Leben gerufen.
Die Darsteller bewegten sich mit einem geliehenen Lastkraftwagen von Ort zu Ort, und jede Aufführung war eine Herausforderung, insbesondere als die jungen Männer das Harmonium auf die Burg Güssing trugen. Diese gemeinsamen Anstrengungen schufen nicht nur Kultur, sondern auch einen starken Gemeinschaftsgeist, der bis heute anhält.
Besonderheiten der Aufführung
Eine der denkwürdigsten Darstellungen fand im Juli 2018 statt, als Militärdekan Alexander Wessely „Jedermann“ als Einpersonenstück auf der Kirchenstiege in St. Georgen präsentierte. Die Vielzahl an Besuchern zeigte sich begeistert und bemerkte: “Dieser Jedermann ist einzigartig, da brauche ich nicht nach Salzburg zu fahren!” Solche Rückmeldungen unterstreichen den hohen Stellenwert, den diese lokale Aufführung für die Gemeinde besitzt.
Kultur und Identität
Die Aufführung von „Jedermann“ in St. Georgen ist weit mehr als nur ein Theaterstück; sie ist ein Ausdruck von kultureller Identität und lokalem Engagement. In einer Zeit, in der die Theaterlandschaft von Professionalisierung geprägt ist, bleibt der Raum für das Laientheater ein wichtiges Element der kulturellen Vielfalt. Die Möglichkeit, bedeutende Stücke in ihrem Heimatort zu beobachten, lässt die Gemeinschaft zusammenrücken und fördert ein gemeinsames Erlebnis, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt.
Die Faszination von „Jedermann“
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und die damit verbundenen ethischen Fragestellungen zieht sich durch das gesamte Werk. Der Protagonist Jedermann steht sinnbildlich für den Menschen in seiner Sterblichkeit und wird vor die entscheidende Frage seiner Existenz gestellt. Dies ist ein Punkt, der sowohl in großen Aufführungen als auch in kleinen, lokalen Inszenierungen behandelt wird. Auf welche Weise die Gemeinschaft mit solchen tiefgründigen Themen umgeht, spiegelt nicht nur ihre kulturellen Werte wider, sondern auch ihre Fähigkeit, sich mit den zentralen Fragen ums Leben auseinanderzusetzen.