Georgien wird aktuell von Protesten erschüttert, nachdem die zunehmend autokratische Regierung des Landes angekündigt hat, den Beitrittsprozess zur Europäischen Union zu stoppen.
Politische Situation in Georgien
Die regierende Partei "Georgian Dream", die im vergangenen Monat unter umstrittenen Bedingungen als Sieger aus den Wahlen hervorging, erklärte am Donnerstag, dass sie die Beitrittsgespräche mit der EU bis 2028 aussetzen werde.
Proteste in Tiflis
Diese Entscheidung führte in der Hauptstadt Tiflis sofort zu Protesten, bei denen Demonstranten Rufe wie „Russische Sklaven“ in Richtung der Polizisten, die das Parlamentsgebäude bewachten, äußerten. Die Proteste wurden in den frühen Morgenstunden des Freitags gewaltsam beendet. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, während Vermummte in die Menge rannten und Menschen schlugen.
Reaktionen der Staatsführung
Salome Zourabichvili, die pro-westliche Präsidentin Georgiens, deren Befugnisse größtenteils zeremonieller Natur sind, erklärte, dass die Polizei gezielt Journalisten und politische Führer ins Visier genommen habe.
Folgen der Präsidentschaftswahlen
Diese Proteste sind Teil der Nachwirkungen der Parlamentswahlen vom 26. Oktober, die als Referendum über die Ausrichtung Georgiens zu Russland oder dem Westen betrachtet wurden. Nachdem das Land in den letzten Jahren Annäherungen an Europa vollzogen hatte und Ende letzten Jahres den Kandidatenstatus für die EU erhielt, hat Georgian Dream einen deutlichen autoritären Kurs eingeschlagen. Im Mai verabschiedete die Partei ein Gesetz nach dem Vorbild Russlands zu „ausländischen Agenten“, welches Kritiker dazu nutzen könnten, um Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen.
Wahlbetrugsvorwürfe
Georgian Dream behauptete, 54 % der Stimmen erhalten zu haben, während die Oppositionsparteien von Wahlbetrug sprachen. Zourabichvili legte die Wahlen auch beim Verfassungsgericht des Landes an.
EU reagiert auf Wahlverlauf
Am selben Donnerstag wies das Europäische Parlament das Wahlergebnis zurück und forderte eine Wiederholung binnen eines Jahres. Es stellte fest, dass die Wahl „weder frei noch fair“ war und bezeichnete dies als weiteres Beispiel für den demokratischen Rückschritt in Georgien, dessen Verantwortung vollständig in den Händen der regierenden Partei liegt.
Die Zukunft der EU-Beitrittsgespräche
Zum Zeitpunkt der Wahlkampf führte Georgian Dream häufig an, dass es der EU-Mitgliedschaft verpflichtet sei, was Umfragen zufolge von mehr als 80 % der Georgier unterstützt wird. Nach den Wahlen sagte Nicoloz Samkharadze, ein Politiker von Georgian Dream und Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Beziehungen, gegenüber CNN: „Wir sind eine politische Partei, die sich dem Beitritt Georgiens zur Europäischen Union verpflichtet fühlt. In den nächsten vier Jahren werden wir weiterhin darauf hinarbeiten, Georgien näher an die EU zu bringen.“
Öffentliche Empörung und Rückschläge
Die Demonstranten in Tiflis äußerten, dass viele zwar die Aufrichtigkeit von Georgian Dreams Engagement für die EU bezweifelten, jedoch schockiert über den plötzlichen Kurswechsel nach der umstrittenen Wahl waren. Ketevan Chachava, eine Fellow des Programms für Demokratische Resilienz am Center for European Policy Analysis, erklärte, sie sei überrascht, dass die Maskerade so schnell gefallen sei. „Das ist ein Alarmzeichen. Es zeigt, dass die Regierung bereit ist, viel weiter zu gehen“, sagte Chachava gegenüber CNN.
Gewaltsame Polizeimethoden
Tsotne Jafaridze, ein Winzer aus Tiflis, berichtete von der außergewöhnlichen Brutalität der Polizeireaktion auf die Proteste. Er meinte: „Ich habe in Georgien viele Proteste gesehen, sowohl unter dieser als auch unter der vorherigen Regierung. Aber so viel Aggression gegenüber älteren Menschen, gegen wirklich junge Leute und Frauen – das war unglaublich.“
Fazit und Ausblick
Die Proteste in Tiflis sind ein weiteres Beispiel für die wachsende Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung und ihrer Politik. Demonstrationen werden auch für den Freitagnachmittag erwartet, da die Menschen für demokratische Werte und eine europäische Zukunft kämpfen.