München – In einem bemerkenswerten Schritt hat der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof, der erst vor Kurzem nach Deutschland geflohen ist, die Chance erhalten, das Land bei den Oscars zu vertreten. Sein Film «Die Saat des heiligen Feigenbaums» thematisiert die politischen Proteste in seiner Heimat und wurde von German Films, der Auslandsvertretung des deutschen Films, als deutscher Beitrag für die Kategorie „bester internationaler Film“ ausgewählt. Rasoulof setzte sich in einem starken Teilnehmerfeld durch, das zahlreichere Wettbewerbsbeiträge umfasste.
Produzent Mani Tilgner äußerte sich erfreut über die Entscheidung der Jury und unterstrich die Bedeutung der Anerkennung von Migrationsgeschichten in Deutschland. „Ich bin sehr froh, dass die Jury das gewagt hat anzuerkennen, dass es Menschen gibt mit Migrationsgeschichte, die sich hier auch zuhause fühlen“, so Tilgner. Dies zeigt nicht nur die Diversität des deutschen Films, sondern auch, wie wichtig der interkulturelle Austausch in der heutigen Gesellschaft ist.
Hintergrund des Films
«Die Saat des heiligen Feigenbaums» erzählt die bewegende Geschichte einer Familie, die sich inmitten der politischen Unruhen im Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 befindet. Der Film beleuchtet die Spannungen innerhalb der Familie: Der strenge Vater Iman, der beim Islamischen Revolutionsgericht arbeitet, steht im Widerspruch zu seinen beiden Töchtern, die die Proteste unterstützen. Diese Darstellung spiegelt die inneren Konflikte der iranischen Gesellschaft wider und offenbart die Auswirkungen der repressiven Theokratie auf das individuelle Leben.
Die Jury lobte den Film als „Psychogramm der auf Gewalt und Paranoia aufgebauten Theokratie des Iran“ und bezeichnete ihn als „meisterhaft inszeniert und berührend gespielt“. Solche Anerkennungen sind nicht nur für Rasoulof selbst, sondern auch für die grundlegende Thematik des Films ein bedeutsames Zeichen.
Herausforderungen für den Regisseur
Rasoulof ist nicht nur für seine filmische Arbeit bekannt, sondern auch für seine kritische Haltung gegenüber dem iranischen Regime. Er wurde bereits in der Vergangenheit inhaftiert und erhielt kürzlich eine mehrere Jahre währende Haftstrafe in seiner Heimat. Dies führte zu seiner Flucht nach Deutschland, wo er nun in Hamburg lebt, nahe seiner Tochter, die dort Medizin studiert.
Der Regisseur wurde bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet und erhielt bei der Premiere überwältigenden Applaus von über zwölf Minuten. Die bewegende Reaktion des Publikums zeigt, wie sehr sein Werk potentielle Zuschauer berührt und die globale Aufmerksamkeit auf die Thematik der Unterdrückung lenkt.
Rasoulof ist jedoch nicht der erste deutsche Vertreter, der in den Oscar-Wettbewerb eintritt. Letztes Jahr war der deutsche Beitrag «Das Lehrerzimmer» nominiert, ging jedoch leer aus. Die Vergabe der Oscars für den besten internationalen Film ist ein heiß umkämpfter Wettbewerb wie immer, mit einer langen Liste an Hürden, die es zu überwinden gilt. Die Shortlist wird am 17. Dezember 2024 bekanntgegeben, wonach fünf Nominierte gewählt werden, bevor die Oscar-Verleihung am 2. März 2025 stattfindet.
Die Konkurrenz um den begehrten Preis ist unermüdlich. Interessanterweise haben in der Geschichte lediglich vier deutsche Filme den Oscar für den besten internationalen Film gewonnen. Darunter auch das bemerkenswerte Werk „Im Westen nichts Neues“ und das Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“, das 2007 den Preis erhielt.
Ein Blick in die Zukunft
Die Entscheidung, Rasoulof und seinen Film zu nominiert, ist nicht nur eine Ehre, sondern auch ein Zeichen für Toleranz und die Kraft der Kunst, gesellschaftlich relevante Themen anzusprechen. In einer Zeit, in der das Weltgeschehen oft von Konflikten geprägt ist, können Filme wie „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ eine wichtige Plattform bieten, um Geschichten von Hoffnung und Widerstand zu erzählen. Die Filmbranche kann durch solche Werke neue Perspektiven eröffnen und das Interesse an politischen Themen steigern, die für viele Menschen von immensem bedeutung sind.
Die politischen Hintergründe im Iran sind grundlegend für das Verständnis von Rasoulofs Werk. Der Iran, ein Land mit einer reichen kulturellen Geschichte, ist seit der islamischen Revolution von 1979 von politischen Repressionen geprägt. Die theokratische Herrschaft, die stark auf religiösen Prinzipien basiert, hat das gesellschaftliche Leben und die Rechte der Bürger erheblich eingeschränkt. Besonders die junge Generation und Frauen kämpfen für mehr Freiheit und Gleichheit. Diese sozialen Spannungen bilden den zentralen Konflikt in „Die Saat des heiligen Feigenbaums“. Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022, der landesweite Proteste auslöste, hat sich die Opposition gegen das Regime verstärkt. Der Film reflektiert diesen aktuellen Widerstand und die gegenwärtige Unruhe in der iranischen Gesellschaft, indem er die Dynamik innerhalb einer Familie zeigt, die mit diesen Herausforderungen konfrontiert ist.
Es ist auch erwähnenswert, dass die internationale Gemeinschaft, insbesondere westliche Länder, in den letzten Jahren zunehmend auf die Menschenrechtslage im Iran aufmerksam geworden ist. Sanktionen und diplomatische Maßnahmen werden häufig als Reaktionen auf die Repressionen des Regimes diskutiert. Dies hat zu einem veränderten Blick auf die iranische Kultur und die Stimmen der Exiliraner geführt, die in ihren Werken oft die Dramatik ihrer Situation thematisieren, wie es Rasoulof in seinem Film tut. Die Anerkennung seines Films auf internationalem Parkett könnte somit auch zu einem größeren Bewusstsein für die politischen Bedingungen im Iran beitragen und die Diskussion über Menschenrechte anheizen.
Auswirkungen auf die deutsche Filmindustrie
Das Engagement von Mohammad Rasoulof und die damit verbundene Oscar-Nominierung könnten auch Auswirkungen auf die deutsche Filmindustrie haben. Angesichts der Themen, die Rasoulof behandelt, wird erwartet, dass der Film sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Beachtung findet. Deutschland hat in den letzten Jahren verstärkt diversifizierte Geschichten erlebt, die verschiedene kulturelle Perspektiven und Migrationshintergründe beleuchten, was auch der deutschen Bevölkerung selbst eine breitere Sichtweise auf die globale Gesellschaft eröffnet.
Die Auswahl von „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ als deutscher Beitrag für die Oscar-Verleihung ist ein Zeichen für diesen Trend. Produzenten und Filmemacher in Deutschland könnten ermutigt werden, ähnliche Geschichten zu erzählen, die sowohl auf persönlichen als auch auf gesellschaftskritischen Ebenen resonieren. Dies könnte zu einer Erneuerung des Interesses an Filmen führen, die gesellschaftliche Fragestellungen nicht nur ansprechen, sondern auch zu einem interkulturellen Dialog beitragen, der für alle Beteiligten bereichernd ist.
– NAG