Thüringen ist in einer besonderen Lage, wenn es um die Bereitstellung medizinischer Versorgung geht. In diesem Bundesland hat jeder vierte Krankenhausarzt keinen deutschen Pass, und die Abhängigkeit von ausländischen Ärzten ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Diese Situation führt zu besorgniserregenden Entwicklungen: Viele ausländische Mediziner entscheiden sich kurzerhand, das Bundesland wieder zu verlassen, was Fragen zur sozialen Integration aufwirft.
Bei einer aktuellen Pressekonferenz in Erfurt sprach Anas Jano, ein syrischer Kardiologe am Uniklinikum Jena, offen über seine Erfahrungen. Er erinnert sich an Situationen, in denen Patienten zögerlich reagierten, wenn sie von einem ausländischen Arzt aufgerufen wurden. „Es ist auffällig, dass einige Patienten lieber zum deutschen Arzt gehen“, berichtete Jano. Solche Erlebnisse sind symptomatisch für die Widerstände, mit denen viele ausländische Ärzte in ihrem Arbeitsalltag konfrontiert sind.
Die Herausforderungen der Integration
Thüringen gehört zu den deutschen Bundesländern mit einer geringeren Ärztedichte und einer schrumpfenden Bevölkerung. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, die einen Ausländeranteil von 10,8 Prozent hat, sind die 1700 ausländischen Ärzte, die hier arbeiten, von großer Bedeutung. Immer wieder wird jedoch berichtet, dass viele von ihnen das Bundesland verlassen. Daten der Landesärztekammer zeigen, dass im vergangenen Jahr 325 neue ausländische Ärzte sich anmeldeten, während 265 Kollegen aus Thüringen abwanderten.
Der Hauptgrund für die Abwanderung liegt nicht nur in den beruflichen Möglichkeiten, sondern auch im gesellschaftlichen Klima. Samer Matar, Mitgründer einer syrischen Gesellschaft für Ärzte und Apotheker, schildert die Besorgnis vieler Ärzte bezüglich der Diskriminierung ihrer Kinder in Schulen, insbesondere in ländlichen Gebieten. „Viele Kollegen überlegen, wie lange sie noch in Thüringen bleiben möchten“, betont Matar.
Die Forschung von Eva Jansen, die am Institut für Medizinische Soziologie in Berlin tätig ist, zeigt, dass soziale Integration der Hauptfaktor für den Rückzug ausländischer Ärzte aus Deutschland ist. Diskriminierung erlebt man nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im Alltag – etwa in Supermärkten oder Restaurants.
Matthias Zenker von der Landesärztekammer versucht, diese Sorgen zu zerstreuen. Er betont, dass die Integration der ausländischen Ärzte in Thüringen voranschreitet und appelliert an die Kollegen, Vertrauen zu haben. „Die Ärzteschaft benötigt Sie“, so Zenker und wendet sich direkt an die syrischen Ärzte. Ein Blick in die Zukunft zeigt jedoch, dass die Herausforderungen bestehen bleiben könnten, insbesondere hinsichtlich des gesellschaftlichen Klimas.
Der Wahlerfolg der AfD wird von Experten wie Clemens Fuest vom Ifo-Institut als ein Faktor angesehen, der ausländische Arbeitskräfte abschrecken könnte. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow äußerte kürzlich seine Sorgen hinsichtlich der gesellschaftlichen Diskussion, die häufig negative Erlebnisse betont und positive Integrationsbeispiele in den Hintergrund drängt.
Die Debatte über die Zukunft der ausländischen Ärzte in Thüringen ist also nicht nur eine Frage der medizinischen Versorgung, sondern auch eine, die von gesellschaftlichen Stimmungen beeinflusst ist. Zenker sieht die Notwendigkeit, sich auf positive Beispiele zu konzentrieren und den Dialog zu fördern. Solche Überlegungen sind wichtig, um die Lücken in der medizinischen Versorgung in Thüringen zu schließen und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das für alle Ärzte – unabhängig von ihrer Herkunft – einladend ist.
Für eine detaillierte Betrachtung des Falls, siehe den Bericht auf www.welt.de.