Lübeck, ein Ort, an dem Geschichte lebendig bleibt, hat kürzlich einen bedeutenden Schritt in der Bewahrung seines kulturellen Erbes gemacht. Seit dem 1. August 2024 hat die Kirchenbauhütte Lübeck ihren ersten Lehrling, Oskar Rißmann, der sich darauf vorbereitet, die Tradition des Maurerhandwerks im Bereich der historischen Kirchenbaukunst fortzuführen.
Der 17-jährige Oskar, ein echter Lübecker, ist frisch von der Geschwister-Prenski-Schule, wo er seinen Realschulabschluss gemacht hat. „Ich finde es schön, wenn man Altes und Schönes erhält und nicht gehen lässt“, erklärt er mit Begeisterung. Dieses leidenschaftliche Interesse an altem Mauerwerk und traditionellen Techniken hat ihn dazu bewogen, seine Ausbildung genau hier, bei der Kirchenbauhütte Lübeck, anzutreten.
Praktische Erfahrungen in historischem Umfeld
Oskar bringt bereits praktische Erfahrungen mit, denn er absolvierte ein Praktikum bei der Kirchenbauhütte während seiner Zeit in der 9. Klasse. „Altbauten und Historisches finde ich einfach sehr interessant“, sagt er. Der Einfluss seines Vaters, der ebenfalls Maurer war und heute als Berufsschullehrer aktiv ist, half ihm, diese Entscheidung zu treffen. Oskar möchte nicht nur im Büro sitzen, sondern draußen sein und aktiv arbeiten.
Die Kollegen der Bauhütte waren von Oskar schon während seines Praktikums begeistert. „Er hat wirklich Lust darauf und wir freuen uns sehr, dass er da ist“, berichtet Frank Schmedemann, der stellvertretende Hüttenleiter. „So können wir unsere Erfahrung an die nächste Generation weitergeben“, ergänzt Jürgen Kreutzfeldt, ein weiterer Mitarbeiter der Bauhütte. Diese wertvolle Erfahrung wird nicht nur Oskar, sondern auch den Mitarbeitern der Bauhütte selbst zugutekommen, da sie ihre fachlichen Fähigkeiten und ihr Wissen weitergeben können.
Um sicherzustellen, dass Oskar auch die modernen Techniken des Maurerhandwerks erlernt, engagiert sich die Bauhütte zusätzlich mit einer Lübecker Firma als zweitem Ausbildungsbetrieb. Dies ermöglicht ihm, ein breites Spektrum an Fertigkeiten zu entwickeln und ist ein wichtiger Teil seiner Ausbildung.
Bauhütten und ihr immaterielles Erbe
Die Möglichkeit, Oskar Rißmann als ersten Azubi zu gewinnen, ist ein direktes Ergebnis der Anerkennung des Bauhüttenwesens als immaterielles Kulturerbe durch die UNESCO seit 2020. Mit dieser Auszeichnung geht die Verantwortung einher, das Fachwissen und die bemerkenswerten Fähigkeiten der Bauhütten an zukünftige Generationen weiterzugeben. „So konnten wir gegenüber der Lübecker Handwerkskammer begründen, dass wir auch selber ausbilden möchten“, erklärt Liane Kreuzer, die Leiterin der Bauabteilung im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg.
Ein bedeutendes Projekt, das derzeit in diesem Rahmen durchgeführt wird, ist die Arbeit an der Baustelle am Ratzeburger Dom, wo Oskar bereits erste Erfahrungen sammeln konnte. Nach nur zwei Wochen in seiner Ausbildung hat er bereits mit Natur- und Feldstein gepflastert und durfte auch an der Lübecker Marienkirche mitarbeiten. „An alten Kirchen gibt es immer etwas zu tun“, sagt Oskar und schätzt die Möglichkeit, im Rahmen seiner Ausbildung verschiedene Baustellen zu besuchen, inklusive der großen Baustelle am Lübecker Dom.
Oskar bekennt sich dazu, diese Erfahrung zu schätzen: „Ich freue mich darauf, später mal intensiv in einer Kirche zu arbeiten und dabei auch Einblicke zu bekommen, die man als normaler Besucher vielleicht nicht hat.“ Besonders die Vorstellung, auf einem hohen Gerüst zu arbeiten, zieht ihn an – eine aufregende jedoch auch herausfordernde Perspektive, die es zu bewältigen gilt.
Die Lübecker Kirchenbauhütte spielt eine wesentliche Rolle in der Restaurierung und dem Erhalt historischer Kirchen, die zusammen mit der Lübecker Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Mit acht festen Mitarbeitern kümmert sich die Bauhütte um bedeutende Kirchen wie den Dom, die St. Marienkirche, St. Jakobi, St. Aegidien und St. Petri, die alle Teil der reichen Geschichte Lübecks sind.
Die Wurzeln des Bauhüttenwesens reichen zurück zu den großangelegten Kathedralen-Baustellen des Mittelalters. Damals wurde erstmalig architektonisches und handwerkliches Wissen zentralisiert. Seit ihrer Gründung im Jahr 1951 während des Wiederaufbaus der Lübecker Marienkirche hat die Kirchenbauhütte Lübeck-Lauenburg ihre Mission fortgesetzt, das kulturelle Erbe der Region sicherzustellen und gleichzeitig neue Generationen in diesem faszinierenden Handwerk auszubilden.
– NAG