Palermo – Tragödien auf See werfen oft mehr Fragen auf als sie Antworten geben können. Dies ist auch der Fall beim Untergang der luxuriösen Yacht „Bayesian“ vor der Küste Siziliens. Der Vorfall ereignete sich während eines heftigen Unwetters und riss zahlreiche Leben in den Abgrund. Der britische Milliardär Mike Lynch, der Eigentümer der Yacht, sowie seine Tochter Hannah gehören zu den Opfern, deren Leichname aus dem Wrack geborgen wurden. Die genauen Umstände des Unglücks bleiben jedoch unklar und sorgen für Kontroversen.
Der Chef der Unternehmensgruppe, die die „Bayesian“ konstruiert hat, hat schwere Vorwürfe erhoben. „Wir hätten das Unglück verhindern können!“, äußerte Giovanni Costantino, was die Dramatik des Vorfalls unterstreicht. Während die Ermittlungen der italienischen Behörden noch laufen, gibt es erste Einschätzungen von Experten, die ein licht auf mögliche Ursachen werfen.
Ursachen des Unglücks: Ein erfahrener Skipper äußert Vermutungen
Michael Schlecht, ein erfahrener deutscher Skipper, hat die Tragödie analysiert und bietet zwei wesentliche Ansätze zur Erklärung an. Er stützt sich auf Tracking-Daten und eigene Erfahrungen. Nach seiner Auffassung war die Yacht zum Zeitpunkt des Sinkens nicht eine halbe Seemeile, wie ursprünglich angegeben, vom Ufer entfernt, sondern nähe Porticello verankert. Dies könnte auf einen schweren Fehler in der Navigation oder Planung hindeuten.
Die Entscheidung des Kapitäns, in einem Bereich zu ankern, der unter den gegebenen Bedingungen als sicher galt, wurde von Schlecht als „lehrbuchmäßig“ beschrieben. Der Kapitän suchte einen Ort, an dem der Wind nicht direkt vom Meer wehte, was sinnvoll erschien. Doch dies genügte nicht, um das Unglück abzuwenden. Schlecht vermutet, dass der variable Kiel der Yacht, der in unterschiedlichen Tiefen gesenkt werden kann, möglicherweise nicht optimal eingestellt war. Mit einem eingezogenen Kiel könnte die Stabilität der Yacht in extremen Wetterbedingungen beeinträchtigt worden sein.
„In extremen Situationen kann das Nachlassen der Stabilität fatale Folgen haben“, so Schlecht weiter. Der Kapitän hatte möglicherweise zwar keine Segel gesetzt, doch der Einsatz des Kiels in schlechten Wetterlagen könnte zu einer kritischen Schwächung der Yacht geführt haben. Der Wind drückte gewaltig auf den Mast und die Aufbauten, was das Kentern der Yacht zur Folge hatte.
Fehler bei der Sicherheit und Aufbau der Yacht
Der Vorfall ließ auch bei Experten Fragen zur Sicherheit und Bauweise aufkommen. Costantino betonte, dass eine ständige Wache an Bord in solch kritischen Situationen lebensrettend gewesen wäre. Ein unentdeckter Sturm hätte rechtzeitig zur Evakuierung und Schließung der Luken führen können. Stattdessen drang Wasser in den Rumpf der Yacht, während sich die Gäste in ihren Kabinen befanden.
Diese unglücklichen Umstände hätten viele Passagiere „in eine Falle“ gesetzt, wie Costantino es ausdrückte. Die dramatischen Szenen auf der „Bayesian“ verdeutlichen, dass nicht nur menschliche Fehler, sondern auch Konstruktionsmängel fatale Konsequenzen nach sich ziehen können. Schlecht fiel zudem eine kritische Bemerkung zu den zunehmenden Geschwindigkeitsstreben im Yachtbau ein: „Die Bauweise ist oft kompromittiert, um das Maximum an Geschwindigkeit zu erzielen“, erklärte er und zeigt auf, dass bei Superyachten oft angenommen wird, dass sie extreme Wetterlagen ohne ernsthafte Probleme meistern können. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
Die Tragödie um die „Bayesian“ und die Opfer der Katastrophe mahnen uns, die sicherheitstechnischen Maßnahmen auf See kritisch zu hinterfragen. Schlecht erwähnt, dass er selbst in seinem 14 Meter langen Segelboot den Mast aus Sicherheitsgründen um zwei Meter verkürzt hat. Diese proaktiven Maßnahmen könnten in der Zukunft entscheidend dazu beitragen, ähnliche Vorfälle zu verhindern.
– NAG