In Halle wurde am 27. August 2023 ein außergewöhnliches Kunstwerk im Zuchthaus „Roter Ochse“ installiert, das die Grenzen zwischen Kunst und Erinnerung infrage stellt. An einem Kran schwebte eine zwei Meter hohe Skulptur, gefertigt vom Bildhauer Bernd Göbel, über die Backsteinmauer des Gefängnisses. Die Szene zog nicht nur die Neugier der Passanten an, sondern auch die der Insassen, die die Installation von ihren Zellenfenstern aus beobachteten. Das Bild eines Menschen, der die Mauer überwindet, hat symbolischen Charakter und bringt die historische Thematik der politischen Gefangenschaft in den Fokus.
Die Skulptur, mit dem Titel „Widerstehen“, ist nicht einfach nur ein Kunstwerk, sondern ein einfühlsames Gedenken an die Menschen, die aus politischen Gründen in der NS- und DDR-Zeit im „Roten Ochsen“ inhaftiert und hingerichtet wurden. Diese Gedenkstätte nimmt eine bedeutende Rolle in der Erinnerungskultur ein, indem sie an 549 Opfer erinnert, die zwischen 1942 und 1945 ihr Leben verloren, darunter auch Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern und Tunesien. Die Angehörigen dieser Opfer hatten die Gelegenheit, die Skulptur zuerst zu sehen und damit einen wichtigen Moment der Anerkennung und des Gedenkens zu erleben.
Ein Kunstwerk in einem geschichtsträchtigen Ort
Die Installation der Statue im Innenhof der Gedenkstätte ist kein Zufall. Dieser Bereich, der eine klare geometrische Gestaltung aufweist, war ehemals der Ort der harten Realität, und nun wird er durch Kunst in ein neues Licht gerückt. Der hohe symbolische Wert des Werkes wird durch die Platzierung unterstrichen. Es steht nahe der Mauer, die die Gefangenen vom Leben außerhalb trennt, und spricht eine universelle Sprache der Resistenz gegen Gewalt und Unterdrückung.
Die Skulptur zeigt einen nackten Mann, der sich dynamisch mit leicht gekreuzten Armen nach hinten beugt. Diese Pose drückt nicht nur Flucht, sondern auch Widerstand aus – ein eindrucksvoller Ausdruck der inneren Balance und der menschlichen Würde. Die Entscheidung für eine menschliche Figur ist bewusst gewählt, um alle Arten von Begegnungen mit Gewalt anzusprechen, ohne dabei ideologisch geladen zu sein. Göbels Intention war es, eine lebendige, nicht kämpferische Gestalt zu schaffen, die den Zuschauern sowohl zur Selbstreflexion als auch zum Gedenken an das Unrecht anregt.
Bernd Göbel, der seit den 1980er Jahren an diesem Werk gearbeitet hat, stellt klar, dass die Idee für die Skulptur zur Gedenkstätte Torgau entstand, dann jedoch durch die wechselhafte politische Landschaft in Deutschland zwischen Vergangenheit und Gegenwart beeinflusst wurde. Der Leiter der Gedenkstätte „Roter Ochse“, Michael Viebig, erkannte schließlich das Potenzial dieses Projekts und machte die Realisierung möglich. Das Gießen der Statue wurde in Tschechien für rund 50.000 Euro durchgeführt, wobei der Künstler auf ein Honorar verzichtete. Die Verwendung von Bronze mit innerer Edelstahlarmierung stellt sicher, dass das Werk langfristig Bestand hat und auch in Zukunft ein Zeichen des Gedenkens bleibt.
Eine Botschaft für die Ewigkeit
Die Bedeutung von Göbels Werk wird durch die dezente Inschrift, die er auf den Sockel geschrieben hat, verstärkt: „Nicht einschmelzen für Waffen!“ Dieser Satz bringt die persönliche Erfahrung des Künstlers zum Ausdruck, der 1944 die Bombenangriffe auf seine Heimat überlebte. Damit vermittelt die Skulptur eine fundamentale Botschaft gegen Krieg und Zerstörung und fordert zum Widerstand gegen jede Form von Gewalt auf. Während das Kunstwerk den Betrachtern möglicherweise nicht sofort auffällt, wird die Botschaft durch die Präsenz des Skulpturenfundaments in der zukünftigen Wahrnehmung des Ortes fortbestehen.
Die Gedenkstätte „Roter Ochse“ ist nicht nur ein Ort des Erinnerns, sondern wird durch diese Installation zu einem lebendigen Denkmal, besteigend durch die Kunst, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Die Skulptur leistet so ihren Beitrag zu einem kritischen Diskurs über die menschlichen Bedingungen von Freiheit und Gedenken. Besucher können die Gedenkstätte an bestimmten Tagen besichtigen, um mehr über die Geschichte dieser bedeutenden Institution zu erfahren und die eindrucksvolle Skulptur in Augenschein zu nehmen.
Für vertiefte Informationen lohnt sich ein Besuch der [Webseite](https://www.mz.de/lokal/halle-saale/mit-dem-kran-uber-die-gefangnismauer-3913226) von www.mz.de, wo die Details zur Präsentation und den potentziellen Reflexionen über die Bedeutung von Kunst in historischen Kontexten ausführlicher beleuchtet werden.