In Halle an der Saale ist das Hausprojekt „Reil 78“ ein wichtiger Ort für linke Aktivisten, der nun in eine komplizierte politische Situation geraten ist. Die Initiative, die aus der Besetzung eines ehemaligen DDR-Kinderheims in den frühen 2000er Jahren hervorgegangen ist, wird von vielen als zentraler Treffpunkt für alternative Kultur und Zusammenschlüsse in der Stadt betrachtet. Besondere Aufmerksamkeit erhält das Projekt durch seine jährlichen Veranstaltungen, wie dem beliebten „Reilfest“, die viele junge Menschen anziehen.
Der Betreiberverein Kubultuburebell hatte 2019 begonnen, mit der Stadt über den Kauf des Gebäudes zu verhandeln. Der Verkaufsbeschluss, der von einem vorherigen Stadtrat gefasst wurde, stand auf der Kippe, da die politische Landschaft sich durch die Kommunalwahl im Juni entschieden verändert hat. Mit dem Aufstieg der AfD und einem Verlust an Einfluss für die Grünen und die Linkspartei, die einst eine stark unterstützende Rolle spielten, ist die Mehrheit, die hinter diesem Verkauf stand, nun nicht mehr im Stadtrat vertreten.
Politische Wendungen und der Kampf um die Immobilie
Wenig überraschend hat die CDU in der ersten Sitzung des neuen Stadtrats den Antrag gestellt, den Verkaufsbeschluss zurückzuziehen. Die Argumentation lautet, dass der Verkaufspreis von 300.000 Euro zu niedrig sei und ein offenes Bieterverfahren notwendig gewesen wäre. Der Stadtrat und die Stadtverwaltung haben dem jedoch widersprochen und klargestellt, dass umfassend abgewogen wurde, bevor die Entscheidung fiel. Das Landesverwaltungsamt, das den Verkauf auf Drängen der CDU überprüfte, fand ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung.
Der Zustand der Immobilie ist ebenfalls ein bedeutendes Thema. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude ist dringend sanierungsbedürftig, und der Verein hat sich verpflichtet, innerhalb von zehn Jahren eine denkmalschutzgerechte Sanierung durchzuführen. Die Kosten hierfür werden auf einen niedrigeren siebenstelligen Betrag geschätzt. Trotz dieser Herausforderung zeigt sich der Betreiberverein optimistisch und hat einen Finanzierungsplan in Zusammenarbeit mit dem Mietshäusersyndikat entwickelt, das hilft, Immobilien in Kollektiveigentum zu führen.
CDU in einer neuen politischen Konstellation
Am 17. September wird der Antrag der CDU, den Verkaufsbeschluss aufzuheben, im Finanzausschuss behandelt. Um die nötige Mehrheit zu erreichen, sind die Christdemokraten auf die Stimmen der FDP, der Freien Wähler und der Liste „Hauptsache Halle“ sowie auf die der AfD angewiesen. Es ist ein bemerkenswerter Wandel, da die CDU kurz nach der Wahl noch zögerte, eine Zusammenarbeit mit der AfD in Betracht zu ziehen. Nun scheint sie bereit, sich auf eine Allianz einzulassen, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen.
Sollte es tatsächlich zu einer Rücknahme des Verkaufs kommen, würde das nicht unmittelbar das Ende von Reil 78 bedeuten. Der Verein hätte weiterhin einen unbefristeten Mietvertrag, was die Stadt in die Verantwortung für die Instandhaltung des Gebäudes bringt. Das Szenario wäre für den Betreiberverein eine Herausforderung, aber nicht das endgültige Aus.
Zusätzlich plant die CDU, weitere Beschlüsse aus der vergangenen Legislaturperiode zurückzunehmen, darunter auch einen Kulturentwicklungsplan. Die Begründung dafür sind finanzielle Engpässe, die eine Umsetzung solcher Pläne als nicht tragbar erscheinen lassen.
Inmitten dieser politischen Umbrüche ist es offensichtlich, dass die CDU auf die Stimmen der AfD angewiesen ist, um die eigenen Ziele durchsetzen zu können. Der politische Diskurs darüber, ob frühere Beschlüsse beibehalten oder geändert werden sollten, zeigt die brisante Lage im Stadtrat an und könnte weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft von kulturellen Projekten in Halle haben. Während sich die politischen Landschaften wandeln, bleibt die Frage, wie diese Veränderungen das Leben und die Kultur vor Ort beeinflussen werden. Das Projekt Reil 78 steht somit im Brennpunkt nicht nur politischer Entscheidungen, sondern auch eines Kampfes um die kulturelle Identität der Stadt.
Für weitere Details zu den Entwicklungen rund um Reil 78 und die aktuelle politische Situation in Halle, siehe die aktuelle Berichterstattung auf jungle.world.