Köln – Die Frage, was Kunst eigentlich bedeutet und ob sie sich dem Kommerz unterordnen sollte, beschäftigt viele. Der kanadische Musiker Chilly Gonzales hat sich intensiv mit diesen Themen auseinandergesetzt, besonders für sein neues Album «Gonzo», das heute das Licht der Welt erblickt. Nach Jahren, in denen er vor allem Instrumentalstücke produziert hat, bringt er nun wieder Worte in seine Musik zurück, die ihm persönlich wichtig sind.
«The first time that I entertained was the first time that I felt sane» – so lautet die vielschichtige Eröffnungszeile seines Albums. Chilly, der mit wahrem Namen Jason Charles Beck heißt und inzwischen in Köln lebt, erklärt in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: «Ich habe Anfang 2022 wieder angefangen, Texte zu schreiben – und diese waren die Songs, die die meiste Power hatten. Dabei denke ich nicht an mein Publikum, sondern versuche, eine klare Verbindung zu meinem Unterbewusstsein aufzubauen.»
Kritik am Kommerz
Eine interessante Facette seines neuen Werkes ist der Titel «Neoclassical Massacre», eine kraftvolle Reflexion über den Einfluss von Algorithmen und kommerziellen Erfolgsdruck auf die Kunstschaffenden. Gonzales kritisiert Künstler, die sich der Logik von Playlists unterwerfen und damit ihre Authentizität opfern. Seine Auffassung dazu: «Die Rolle eines Künstlers ist nicht, dem Algorithmus zu diktieren, sondern ihn zu unserem Vorteil zu nutzen, wenn wir etwas Wertvolles erschaffen haben.»
Ein weiteres Highlight des Albums ist der provokante Song «F*ck Wagner». Gonzales setzt sich hier mit Richard Wagner auseinander, einem Komponisten, dessen Musik er bewundert, dessen antisemitische Ansichten und Schriften ihn jedoch tief verstören. Diese duale Beziehung zur Musik Wagners bietet viel Stoff für persönliche Reflexionen: «Mein Vater, der jüdisch ist, hat mich dazu ermutigt, die Texte Wagners zu lesen. Irgendwann fragte ich ihn, wie er es ertragen kann, solche Musik zu hören, und seine Antwort war, dass man den Künstler von der Kunst trennen müsse.»
Eine Kampagne für Veränderung
Chilly Gonzales geht sogar einen Schritt weiter und startet eine Petition, um eine Richard-Wagner-Straße in Köln in Tina-Turner-Straße umzutaufen. Dies ist Teil seines Versuchs, auf die moralischen Dilemmata aufmerksam zu machen, die uns alle betreffen: «Ich bin nicht der Meinung, dass alle Namen von Menschen, die fragwürdig sind, aus der Öffentlichkeit verschwinden müssen. Aber wir müssen darüber sprechen, wie wir mit Kunst von unvollkommenen Menschen umgehen.»
Sein Anliegen ist nicht radikal, sondern schlägt einen eher nachdenklichen Ton an. Gonzales äußert, dass er nicht als Kämpfer gegen die Cancel Culture auftreten möchte und niemanden daran hindern will, Wagners Musik zu hören. Diese Auseinandersetzung mit Kunst und Künstlern, die nicht perfekt sind, stellt eine fundamentale Frage dar: Wie gehen wir mit unserer eigenen Kultur um, wenn sie von umstrittenen Persönlichkeiten geprägt ist? Der Artikel von www.radioherne.de beleuchtet diese komplexen Themenbildung in detailreicher Form.