Heinsberg

Zwangsräumung in Waldenrath: Als die Erinnerungen lebendig werden

Vor 80 Jahren erlebte Waldenrath eine dramatische Zwangsräumung, als die Alliierten eintrafen: Im September 1944 flohen verzweifelte Dorfbewohner unter Bombenbeschuss, während Kinder ihre Haustiere zurücklassen mussten und Erinnerungen an die Flucht bis heute lebendig sind.

Vor 80 Jahren, am 24. September 1944, mussten die Einwohner von Waldenrath ihre Heimat verlassen, während die Alliierten vorrückten. In diesem Moment erlebte der damals zwei Jahre alte Heinz Cleef die Schrecken des Krieges nicht aus eigener Erinnerung, jedoch hat er im Laufe seines Lebens die Geschichten jener gesammelt, die diesen tragischen Tag bewusst miterlebten. Zu diesen Zeitzeugen gehört auch Josef Philippen, der als 14-Jähriger viel von dem Chaos rund um die Zwangsräumung mitbekam und uns seine Eindrücke hinterließ.

„Bomben und Granateinschläge bestimmten damals auch den Alltag in Waldenrath“, berichtet Cleef, während er die gesammelten Erzählungen durchgeht. Viele Menschen sträubten sich, ihr Hab und Gut zurückzulassen, waren jedoch letztendlich gezwungen zu gehen und sich ihrem Schicksal zu ergeben. Philippen beschreibt, wie die Dorfbewohner, prall beladen mit den wenigen Besitztümern, ihre Häuser verließen. „Die Wegstrecke von Waldenrath bis Dremmen war ,schwarz‘ von Waldenrathern. Zu Fuß, mit Handgepäck, mit Pferden und Karren, auf denen alte Leute zwischen den Habseligkeiten eingepfercht saßen, verließen alle morgens unser Heimatdorf“, erklärt er.

Erinnerungen an die Flucht

Die persönliche Erfahrung der Zwangsräumung variiert stark unter den Überlebenden. Maria Gorissen, damals ein Kind, fand sich in der Aufregung leicht geschockt wieder, als ihre Mutter ihr auftrug, einige Sachen in ihre Schultasche zu packen. „Ich habe mir unsere drei jungen Katzen in die Tasche gepackt. Die Kätzchen maunzten verängstigt, während wir über die Straßen nach Dremmen zogen“, blickt sie zurück. Wie viele andere, die von ihren Heimatdörfern fliehen mussten, hoffte sie, eines Tages zurückzukehren und ihre geliebten Tiere wiederzusehen. Doch das Schicksal hatte andere Pläne, und die Katzen blieben zurück.

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Viele Menschen fanden Unterschlupf bei Bekannten oder Verwandten in sichereren Gebieten. So gelangte die Familie von Maria Gossen nach Rheydt, wo sie aufgrund der Nähe zum Bahnhof und einer Fabrik zahlreiche Bombenangriffe erlebten. „In Waldenrath wären wir wahrscheinlich weniger gefährdet gewesen“, sagt sie mit einem tiefen Seufzer. Nach Monaten voller Unsicherheit kehrten die geflüchteten Waldenrather schließlich am Ostersamstag 1945 in ihre Heimat zurück, doch die Zerstörung war überwältigend.

In den Erinnerungen von Katharina Feltmann sind die Schrecken der Nacht vor der Zwangsräumung lebendig. „Wir harrten die ganze Nacht in unserem gewölbten Keller unter der Backstube aus. Aber in dieser Nacht hat niemand geschlafen“, berichtet sie. Diese schlaflosen Nächte waren geprägt von der stetigen Bedrohung durch Bombardierungen. Die Trauer um verlorenes Zuhause, Freunde und den Frieden war allgegenwärtig.

Auch Gustav Sentis, gerade sieben Jahre alt, erzählt von der dramatischen Situation seiner Familie. Sein Opa kam auf dem Fahrrad vorbei, um zu fragen, ob sie mit ihm mitfahren wollten, da er nach Halberstadt wollte. „Meine Mutter schnappte sich das Nötigste und wir machten uns auf den Weg“, sagt Sentis. Der Junge saß vorne auf der Fahrradstange und ist geprägt von den Erinnerungen an Flucht und Verlust. An diesem Tag begaben sie sich ins Ungewisse und schafften es bis nach Erkelenz, wo sie in einer Feldmiete übernachteten.

Die Rückkehr in Waldenrath war schließlich eine der schwierigsten Phasen, da viele der Flüchtlinge das Ausmaß der Zerstörung sehen mussten, das der Krieg hinterlassen hatte. Auf der Suche nach Normalität mussten sie erkennen, dass das Leben, das sie einmal hatten, kaum noch existierte. „Wir mussten schwankende Brücken überqueren und wurden an den Grenzen entlaust, bevor wir schließlich wieder in Waldenrath ankamen“, beschreibt Sentis die abschließende Etappe seiner beschwerlichen Reise.

Diese Geschichten sind Zeugen einer Zeit, die für viele unvergesslich bleibt – auch Jahrzehnte später sind die Erlebnisse der Flucht aus dem Heimatdorf und die Schrecken des Krieges noch präsent. Sehr eindrucksvoll wird das in den Erzählungen derjenigen deutlich, die trotz des erlittenen Leids bereit sind, ihre Erinnerungen zu teilen. Insgesamt zeigen diese Erzählungen nicht nur die Brutalität des Krieges, sondern auch den unbändigen Willen der Menschen, in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten und sich an die Hoffnung nach Frieden zu klammern. Für tiefere Einblicke in diese dramatischen Erlebnisse und die Geschichten der Zeitzeugen gibt es mehr Informationen in einem Bericht auf www.aachener-zeitung.de.

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