Der Krieg in der Ukraine hat das Leben vieler Menschen in einer Weise verändert, die kaum zu fassen ist. Unter den Betroffenen sind Vladislava und Yevhen Koshchii, beide einst hochangesehene Chirurgen in Charkiw. Nach dem Überfall russischer Truppen sahen sie sich gezwungen, ihr geliebtes Zuhause zu verlassen und in ein fremdes Land zu fliehen, das noch viele Hürden für sie bereithielt. Ihre Geschichte ist daher nicht nur eine von Verlust, sondern auch von Hoffnung und Mut.
Die Familie Koshchii fand Zuflucht in Essen, Deutschland, wo sie mit ihren vier Kindern ein neues Leben beginnen musste. Vladislava und Yevhen stehen nicht nur vor der Herausforderung, sich in der neuen Umgebung einzugewöhnen, sondern müssen auch dafür kämpfen, wieder im medizinischen Bereich arbeiten zu können. Ihre Entschlossenheit, trotz der widrigen Umstände, ist bewundernswert. Mit 46 Jahren haben sie sich entschieden, einen Neustart wagen, auch wenn sie zuvor angesehene Profis in ihrem Beruf waren.
Ein steiniger Weg zurück zur Ärzteschaft
Der Weg zurück in ihren Beruf stellte sich jedoch als lange und steinige Reise heraus. Die Koshchiis mussten nicht nur intensiv Deutsch lernen, um die Sprachkenntnisse zu erwerben, die für ihre Fachsprachprüfung notwendig waren, sondern auch durch einen wahren Marathon der Bürokratie. „Es fühlte sich an, als würden wir in einem Meer aus Papier ertrinken“, erinnerte sich Vladislava an die Herausforderungen, die sie in Deutschland begleiteten.
Die Anträge zur Anerkennung ihrer medizinischen Abschlüsse und Qualifikationen erforderten unzählige Dokumente und Übersetzungen. Inmitten dieser Schwierigkeiten fanden sie den Kampf um Anerkennung besonders frustrierend. „Ich habe Diplome und Zeugnisse. Warum brauche ich zusätzlich etwas zur Anerkennung?“, äußerte Vladislava ihre Verzweiflung über den bürokratischen Aufwand.
Doch das Durchhaltevermögen zahlte sich aus. Nach unzähligen Bewerbungen erhielten sie im Juli 2024 ihre Berufserlaubnis, die zunächst auf zwei Jahre befristet ist. Im September dürfen sie nun als Assistenzärzte im Agaplesion Klinikum Hagen in der Neurologie arbeiten. Dieser Schritt stellt nicht nur eine Rückkehr zur beruflichen Identität dar, sondern auch einen Grund, stolz auf die eigenen Leistungen zu sein.
Kampf gegen die bürokratischen Hürden
Die Situation der Koshchiis ist kein Einzelfall. Eine Auswertung der Bezirksregierung Münster zeigt, dass zwischen Februar 2022 und Juli 2024 lediglich 17 Approbationen und 67 Berufserlaubnisse an medizinisch ausgebildete Personen aus der Ukraine erteilt wurden. Auch wenn viele Anträge eingereicht wurden, stehen die Bewerber vor einem langen und schwierigem Prozess der Anerkennung. Die Prüfung der Gleichwertigkeit der Qualifikation erfordert oft umfangreiche Gutachten, was den gesamten Prozess erheblich verzögert.
Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation liegen bereits auf dem Tisch. Eine Bundesratsinitiative, unterstützt von Nordrhein-Westfalen, plädiert dafür, ausländischen Ärzten die Möglichkeit zu bieten, direkt eine Kenntnisprüfung abzulegen, um die zeitaufwändigen Prüfungs- und Anerkennungsverfahren zu beschleunigen. Prof. Dr. med. Hubertus Köller vom Agaplesion Klinikum Hagen unterstützt diese Initiative und macht darauf aufmerksam, dass Ärzte, die an vergleichbaren Universitäten ausgebildet wurden, eine schnellere Anerkennung ihrer Qualifikationen erhalten sollten.
Die Geschichte von Vladislava und Yevhen Koshchii verdeutlicht nicht nur die Herausforderungen, vor denen geflohene Fachkräfte stehen, sondern auch die Notwendigkeit, die bürokratischen Hürden für ausländische Ärzte in Deutschland zu senken. Der medizinische Fachkräftemangel könnte dadurch zumindest teilweise behoben werden, wenn es gelingt, hochqualifizierten Fachkräften wie den Koshchiis den Zugang zur deutschen Arbeitswelt zu erleichtern.
- Agaplesion Klinikum Hagen
- Pressestelle Bezirksregierung Münster
- WDR-Reporterin vor Ort
Über dieses Thema berichtete der WDR am 28.08.2024 im Fernsehen in der Lokalzeit aus Dortmund am 02.09.2024 im Hörfunk auf WDR2.
– NAG