Göttingen

Neuer Schwung für Werkräume: Göttinger Gymnasium reaktiviert Handwerksunterricht

Nach beinahe zwei Jahrzehnten der Untätigkeit werden die Werkräume am Göttinger Hainberg-Gymnasium mit finanzieller Unterstützung der Stadt und der Kreishandwerkerschaft reaktiviert, um Schüler für das Handwerk zu begeistern und ihnen wichtige praktische Erfahrungen zu vermitteln.

Göttingen – Die Werkräume des Hainberg-Gymnasiums haben eine lange Zeit ungenutzt verbracht, fast zwei Jahrzehnte waren sie im Dornröschenschlaf. Doch nun zeichnen sich Veränderungen ab: Die Umstrukturierung dieser Räumlichkeiten wird durch zahlreiche Partner unterstützt und soll das Interesse junger Menschen für handwerkliche Berufe wecken.

Ein Ziel, das nicht nur den Schülern zugutekommt, sondern auch der gesamten Region, wo ein Fachkräftemangel im Handwerk herrscht. Die Kreishandwerkerschaft hat sich, zusammen mit der Stadt Göttingen und weiteren Geldgebern, für die Wiederbelebung der Werk-Räume stark gemacht. Angesichts der Wichtigkeit handwerklicher Ausbildung fühlen sich auch die Verantwortlichen der Schule engagiert und arbeiten aktiv an der Umsetzung dieser Neuausrichtung.

Engagement und Unterstützung

Das Handwerk selbst fordert seit längerem, dass Gymnasien ihre Angebote im Bereich „Werken“ erweitern und jungen Leuten die Möglichkeit bieten, praktische Erfahrungen zu sammeln. Am Hainberg-Gymnasium soll das Fach in Kürze wieder in den Lehrplan aufgenommen werden, was eine bedeutende Veränderung für die Schule und ihre Schüler darstellt.

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HG-Schulleiter Thomas Dornhoff betont die Relevanz von praktischen Erfahrungen: „Wir sind dafür da, um Schülern selbst bestimmtes Handeln zu vermitteln.“ Dies wird ermöglicht durch den Wahlpflichtunterricht (WPU) für Jahrgänge acht bis zehn, bei dem die Schüler in klassenübergreifenden Kursen praktische Fähigkeiten erlernen können. Insbesondere der Werkunterricht spiele dabei eine zentrale Rolle und könnte zur beruflichen Orientierung beitragen. Der Kreishandwerksmeister Christian Frölich sieht in diesem Projekt die Chance, Talente zu fördern und gleichzeitig die Verbindung zwischen Schule und Berufsbildung zu stärken.

Die Notwendigkeit für derartige Projekte wird auch durch die finanziellen Bemühungen sichtbar: Insgesamt 38.000 Euro werden benötigt, um den Werkraum wieder herzurichten. Die Stadt Göttingen stellt 20.000 Euro bereit, 5.000 Euro steuert die Kreishandwerkerschaft bei. Andreas Gliem hat darüber hinaus Sponsoren gewonnen, die jeweils 2.500 Euro beisteuern, um den alten Maschinenpark zu ersetzen und moderne Geräte, wie eine Standbohrmaschine oder eine Absauganlage, anzuschaffen.

Kollaboration für die Zukunft

Die Kooperation zwischen der Schule und dem Handwerk wird als besonders wertvoll erachtet. Oberbürgermeisterin Petra Broistedt beschreibt dieses Projekt als ein „echtes Juwel“, das für die Region von Bedeutung ist. Sie hebt hervor, dass die Verzahnung von Bildung und praktischer Ausbildung dringend notwendig ist, um die Jugend für handwerkliche Berufe zu begeistern.

Dabei wird nicht nur in Göttingen, sondern auch an anderen Gymnasien in der Umgebung die Bereitschaft zur Zusammenarbeit spürbar. Andreas Gliem ist optimistisch, dass das Projekt eine breitere Unterstützung finden könnte, denn „das ist ein zartes Pflänzchen, das jetzt gegossen werden muss“. Ziel ist es, das Bewusstsein für handwerkliche Berufe zu stärken und die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung im Bildungsbereich zu stellen.

Kreishandwerksmeister Frölich hebt hervor, dass inzwischen mehr Gymnasiasten sich um Ausbildungsplätze im Handwerk beworben haben, was als positive Entwicklung gewertet wird. Dennoch bleibe der Bedarf an Nachwuchs im Handwerk unverändert hoch, und es bleibt abzuwarten, wie dieses Projekt auf lange Sicht Auswirkungen auf die berufliche Orientierung der Schüler haben wird.

Ausblick auf die Entwicklung

Die Reaktivierung der Werkräume im Hainberg-Gymnasium könnte also ein bedeutender Schritt sein, um das Handwerk für den Nachwuchs attraktiver zu machen. Vor allem ist es eine Chance, dass Schüler mehr praxisnahe Erfahrungen sammeln können. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und handwerklichen Betrieben weiterentwickeln wird und ob ähnliche Projekte auch an anderen Schulen initiiert werden.

Die Reaktivierung der Werk-Räumlichkeiten am Hainberg-Gymnasium reflektiert ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung praktischer Ausbildung im Bildungswesen. In Deutschland ist die duale Ausbildung traditionell stark verankert, jedoch gibt es seit Jahren einen Trend zur Abwertung handwerklicher Berufe, insbesondere an Gymnasien. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass viele Schüler eine akademische Laufbahn anstreben, während weniger Wert auf handwerkliche Fähigkeiten gelegt wird.

Angesichts des Fachkräftemangels in vielen Handwerksberufen ist es dringend erforderlich, dass Schulen ihre Curricula anpassen und klassenübergreifende Angebote schaffen, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fertigkeiten vermitteln. Die Wiederbelebung des Faches „Werken“ am Hainberg-Gymnasium ist ein Schritt in die richtige Richtung, um mehr Jugendliche für handwerkliche Berufe zu gewinnen.

Die aktuelle Lage im deutschen Handwerk

Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gab es im Jahr 2023 in Deutschland insgesamt rund 1,36 Millionen Betriebe im Handwerk, die etwa 5,6 Millionen Menschen beschäftigen. Die Nachfrage nach Fachkräften in diesen Berufen wächst kontinuierlich, insbesondere in den Bereichen Bau, Elektro und Metallverarbeitung. Aktuellen Umfragen zufolge planen mehr als 70 Prozent der Betriebe in den nächsten Jahren, mehr Auszubildende einzustellen, um den Nachwuchsbedarf zu decken.

Diese Entwicklungen machen die Reaktivierung des Werkraums am HG zu einer wichtigen Maßnahme. Die Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft und den finanziellen Unterstützern spiegelt die Notwendigkeit wider, Schüler frühzeitig für die Berufswelt zu sensibilisieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, handwerkliche Fähigkeiten zu erlernen.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Die Rückkehr von handwerklichem Unterricht an Schulen hat auch gesellschaftliche Auswirkungen. Oft wird das Handwerk in der Gesellschaft nicht ausreichend gewürdigt, obwohl es eine grundlegende Rolle in der Wirtschaft spielt. Handwerkliche Berufe bieten nicht nur eine Vielzahl von Einstiegsmöglichkeiten, sondern auch Perspektiven für eine langfristige berufliche Entwicklung. Zudem tragen sie wesentlich zur Qualität von Dienstleistungen und Produkten in der Gesellschaft bei.

Durch Initiativen wie die am Hainberg-Gymnasium werden nicht nur Berufe im Handwerk attraktiver gemacht, sondern auch ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie wichtig handwerkliche Tätigkeiten für das Funktionieren einer Gesellschaft sind. Wenn Schüler lernen, konkrete Dinge zu erstellen und Probleme praktisch zu lösen, fördert dies nicht nur ihre beruflichen Fähigkeiten, sondern auch ihre persönlichen Kompetenzen.

– NAG

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